Blinddarmentzündung
Was ist eine Blinddarmentzündung?
Der Dünndarm mündet seitlich in den Dickdarm, sodass ein blindes Ende jenseits dieser Einmündungsstelle entsteht. Dieses wird als Blinddarm bezeichnet und befindet sich meist im rechten Unterbauch. Am Blinddarm befindet sich ein etwa 8 cm langer, wurmförmiger Anhang, den Mediziner als „Appendix“ bezeichnen. Er hat einen Eingang, aber keinen Ausgang.
Bei einer sogenannten „Blinddarmentzündung“ entzündet sich also nicht der Blinddarm, sondern sein Wurmfortsatz (Appendix). Mediziner sprechen daher nicht von einer Blinddarmentzündung, sondern von einer „Wurmfortsatzentzündung" (Appendizitis). Am häufigsten wird die Diagnose „Appendizitis“ bei Kindern im Alter zwischen 10 und 15 Jahren gestellt. In den ersten beiden Lebensjahren tritt sie eher selten auf. Jungen und Männer erkranken öfter als Mädchen und Frauen.
Bei ersten Anzeichen auf eine Blinddarmentzündung (Bauchschmerzen, Erbrechen, Durchfall) sollte sich der Patient rechtzeitig in ärztliche Behandlung begeben, um das Risiko für Komplikationen zu minimieren. Wichtig ist, dass zunächst keine schmerzlindernden Medikamente verabreicht werden, da dem Arzt durch die Linderung der Schmerzsymptome eine genaue Diagnosestellung erschwert wird.
Blinddarmoperationen gehören heutzutage zu den Standardeingriffen in der Chirurgie und dauern meist nicht länger als wenige Minuten.
Ursachen
Der Blinddarm enthält viele Lymphknoten und wird deshalb auch als „Darmtonsille", d.h. als „Darm-Mandel", bezeichnet. Da sein Wurmfortsatz einen Eingang, aber keinen Ausgang besitzt, stellt er eine Sackgasse dar. Deshalb sammeln sich leicht Speisereste darin an, die eine Entzündung verursachen können. Häufige Ursachen für eine Blinddarmentzündung sind
- eine Verstopfung mit Kotsteinen
- ein Abknicken des Wurmfortsatzes
- Darminfekte.
In seltenen Fällen lösen andere Krankheiten, wie zum Beispiel ein Wurmbefall, aber auch Fremdkörper wie Kirschkerne oder auch Tumore eine Blinddarmentzündung aus.
Symptome & Krankheitsbild
Die typischen Krankheitszeichen einer Blinddarmentzündung sind Erbrechen und oftmals starke Bauchschmerzen. Diese meist krampfartigen Schmerzen beginnen häufig im Bereich des Nabels und ziehen dann in den rechten Unterbauch. Sie verstärken sich vor allem beim Gehen oder Hüpfen auf dem rechten Bein. Außerdem werden die Schmerzen durch Husten und Niesen verstärkt. Der gesamte Bereich der Bauchdecke ist angespannt und extrem druckempfindlich. Ferner leiden die Betroffenen in der Regel unter Übelkeit und Appetitlosigkeit. Zusätzlich kann leichtes Fieber (ca. 38°C) auftreten. Dabei ist ein Unterschied von über 1° Celsius zwischen der in den Achseln und im Darm gemessenen Temperatur typisch.
Bei Kleinkindern unter vier Jahren treten allerdings selten die typischen Beschwerden auf, manchmal sind die Beschwerden auch nicht eindeutig. Daher wird eine Blinddarmentzündung im Kindergartenalter manchmal erst spät erkannt. Oftmals verbirgt sich hinter Bauchschmerzen aber auch eine ganz andere Erkrankung, wie z.B. eine Mandelentzündung oder Kopfschmerzen, weil Kinder bis zum Alter von acht bis zehn Jahren gar nicht genau angeben können, wo im Körper etwas nicht stimmt. Möglicherweise hat das Kind Sorgen oder Ängste und leidet aus diesem Grund unter Bauchschmerzen.
Wenn ein Kind länger als drei Stunden unter unklaren Bauchschmerzen leidet, sollte es immer zu einem Kinder- und Jugendarzt oder sofort ins Krankenhaus gebracht werden. Bei der Diagnose „Blinddarmentzündung“, wird der behandelnde Arzt abwägen, ob eine sofortige Operation notwendig ist oder ob mit einem chirurgischen Eingriff noch abgewartet werden kann.
Komplikationen
Bei Verdacht auf eine Blinddarmentzündung sollte in jedem Fall ein Arzt aufgesucht werden! Wenn die Blinddarmentzündung nicht rechtzeitig behandelt wird, kann der Blinddarm entweder brüchig werden oder sogar ganz durchbrechen. Man spricht in diesem Fall von einem Blinddarmdurchbruch oder einer Perforation. Kot und Bakterien gelangen dann in den Bauchraum und führen unter Umständen zu einer lebensgefährlichen Bauchfellentzündung (Peritonitis). Eine derartige Infektion kann bei Mädchen oder jungen Frauen zu Unfruchtbarkeit führen.
Bei einer eitrigen Blinddarmentzündung besteht die Gefahr von Wundinfektionen oder Eiteransammlungen (Abszessen) in der Bauchhöhle.
Nach der Operation verkleben bei etwa 2 bis 4% der Patienten die Darmschlingen aufgrund von Narbenbildung. Dann ist nicht selten eine erneute Operation von Nöten.
Bei rechtzeitiger Diagnose ohne Hinweis auf bestehende Komplikationen kann der Arzt sich zunächst unter kurzfristigen Kontrollen für eine konservative Therapie entscheiden. Der Vorteil besteht im Vermeiden eventueller operativer Komplikationen.
Diagnose
Da die Krankheitszeichen nur bei rund 50% aller Fälle in ihrer typischen Ausprägung vorhanden sind, ist die Diagnose einer Blinddarmentzündung selbst für erfahrene Chirurgen nicht immer so leicht, wie es sich der medizinische Laie vorstellt. Deswegen werden häufig Kinder- und Jugendärzte zusammenarbeiten müssen. Wirklich sicher kann der Arzt die Blinddarmentzündung erst dann diagnostizieren, wenn er den Bauchraum geöffnet hat und den Wurmfortsatz vor sich sieht.
Da Kinder bis zum Alter von acht bis zehn Jahren nicht genau angeben können, wo eine Störung im Körper vorliegt, und daher oftmals über Bauchschmerzen klagen, obwohl sie eine andere Erkrankung haben, wird der Kinder- und Jugendarzt nicht nur den Bauch abtasten, sondern auch in den Hals sehen sowie den Brustkorb und den Bauchraum abhören. Dabei wird er beobachten, wie sich das Kind verhält, um einzuschätzen, wie stark es beeinträchtigt ist. Ferner wird er das Kind hüpfen lassen, da Kinder mit einer Blinddarmentzündung meist Erschütterungen vermeiden.
Zu den üblichen Untersuchungen gehören zudem das Messen der Körpertemperatur in den Achseln und im After sowie die Untersuchung von Blut und Urin. Erhöhte Leukozytenwerte (weiße Blutkörperchen) und weitere Entzündungsparameter im Blut können den Verdacht auf eine Blinddarmentzündung erhärten. Ein Unterschied von über 1° Celsius der gemessenen Temperatur von Achseln und Darm kann ebenfalls ein Hinweis sein. Auch ein vorsichtiges Abtasten des Enddarms mit dem Finger (digito-rektale Untersuchung) gehört zur Diagnosestellung dazu.
Darüber hinaus kann der Verdacht auf eine Blinddarmentzündung durch eine sonographische Untersuchung (Ultraschall) bestätigt werden. Leider ist die Sicht wegen der vorhandenen Luft im Bauch allerdings nicht immer optimal, aber der Arzt kann so erkennen, ob sich Flüssigkeit im Bauchraum angesammelt hat und auf diese Weise abschätzen, wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist. Generell gilt: Je eher der Arzt aufsucht wird, desto schneller kann dieser die Erkrankung erkennen und behandeln.
Bei einer chronischen Entzündung ist neben der Blutuntersuchung eine Röntgenuntersuchung mit einem Kontrastmittel angezeigt.
Anhand der Untersuchungsergebnisse trifft der Arzt die Entscheidung, umgehend zu operieren oder mit konservativen Maßnahmen wie Bettruhe oder Antibiotikagabe abzuwarten.
Therapie
Bei einer unkomplizierten akuten Entzündung des Wurmfortsatzes kann in bestimmten Fällen eine Behandlung mit einem Antibiotikum erfolgen. Oftmals klingt die Entzündung dann innerhalb von 48 Stunden ab. Allerdings tritt in der Folgezeit bei vielen Kindern erneut eine Blinddarmentzündung auf.
Häufig ist daher auch nach Antibiotikagabe die chirurgische Entfernung des entzündeten Wurmfortsatzes die einzige Möglichkeit, eine Blinddarmentzündung erfolgreich zu behandeln. Um einen Blinddarmdurchbruch zu vermeiden, wird der Arzt die Operation (OP) meist innerhalb von 24 Stunden in die Wege leiten.
Es werden zwei Operationsmethoden unterschieden:
- Die minimal-invasive Operation per Endoskop in Vollnarkose.
- Die herkömmliche OP unter Vollnarkose, bei der der Chirurg einen kleinen, ca. sechs Zentimeter langen, horizontalen Schnitt auf der rechten Seite unterhalb des Nabels setzt.
Über die Methode der Wahl entscheidet der Chirurg. Nach einer minimal-invasiven Operation können Kinder das Krankenhaus in der Regel schneller verlassen als nach einer herkömmlichen Operation. Allerdings dauert der minimal-invasive Eingriff länger. Stellt sich während des Eingriffs heraus, dass eine weiterreichende Entzündung vorliegt, kann jedoch jederzeit von einem minimal-invasiven Eingriff auf die herkömmliche Operationsmethode übergegangen werden.
Wird mit einem chirurgischen Eingriff abgewartet, werden regelmäßig Blutuntersuchungen durchgeführt. Anhand der Entzündungsparameter im Blut trifft der Arzt dann gegebenenfalls die Entscheidung umgehend zu operieren oder mit konservativen Maßnahmen wie Bettruhe abzuwarten.
Quellen
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