Leukämie (Blutkrebs)
Therapie
Die Behandlung von Krebs erfordert:
1. Die Erstellung eines optimalen individuellen Therapiekonzeptes.
2. Die Verarbeitung der Krankheit einschließlich der therapeutischen Belastung durch das Kind und seine Angehörigen. Eine alters- und familienorientierte ganzheitliche Betreuung ist unverzichtbar.
Grundsätzlich gilt, dass eine diagnostizierte akute Leukämie immer in spezialisierten Kliniken behandelt werden sollte. Deshalb kann es in vielen Fällen notwendig sein, das Kind in ein medizinisches Zentrum, das auf Kinder-Krebserkrankungen spezialisiert ist (Onkologie) zu überweisen. Vor, während und nach der Therapie sollten offene, informative und unterstützende Gespräche zwischen den behandelnden Ärzten und dem Kind und seinen Eltern stattfinden. Begleitend zur Therapie und im Anschluss können z.B. Kunst- und Musiktherapie die Behandlung unterstützen. Ein aufrichtiger Umgang mit den Chancen der Heilung und der Sinnhaftigkeit von weiteren Therapien erfordert große Sensibilität und persönliche Erfahrung mit chronischen Krankheiten. Die Anbindung an das Therapie-Zentrum, der Kontakt zu den verantwortlichen Ärzten und Therapeuten ist auch nach Entlassung sehr wichtig
Ziel der Krebstherapie ist die vollständige Heilung (kurativer Ansatz). Bei fortgeschrittenem Verlauf kann oft nur noch lindernd eingegriffen werden (palliativer Ansatz). In der Schulmedizin stehen für die kurative Therapie einer Leukämie grundsätzlich drei Behandlungsmethoden zur Verfügung:
- Chemotherapie
- Strahlentherapie
- Transplantation von Knochenmark
Chemotherapie
Natürliche und chemische Substanzen, die als Zellgifte wirken, werden Zytostatika genannt. Sie sollen die Teilung von Krebszellen hemmen oder die Krebszellen zerstören. Je höher die Dosis der Zytostatika, desto radikaler ist die erwünschte Wirkung, leider aber auch die unerwünschte. Daher müssen bei einer Chemotherapie Nutzen und Risiken sehr genau abgewogen werden. Üblicherweise behandeln Ärzte bei der Chemotherapie nach spezifischen Protokollschemata, die aus aktuellen internationalen Studien stammen.
Derzeit kommen mehr als 30 verschiedene zytostatisch wirksame Arzneistoffe bei der Behandlung von Leukämie bei Kindern zum Einsatz – über die konkrete Auswahl entscheiden die behandelnden Ärzte im Einzelfall. Üblicherweise kommt eine Kombinationstherapie zur Anwendung, bei der mehrere Zytostatika verabreicht werden. Die einzelnen Substanzen wirken auf unterschiedliche Phasen der Zellteilung. Dadurch kann die Dosis der Einzelstoffe reduziert werden. Außerdem fällt es den Krebszellen so schwerer, sich an die Zytostatika anzupassen.
Bei einer Chemotherapie sind mehrere Behandlungszyklen nötig, zwischen denen sogenannte Remissions-Phasen liegen. In der Remission kann und soll sich das gesunde Gewebe weitgehend erholen. Hierbei wird auch berücksichtigt, dass nicht alle Krebszellen immerzu teilungsaktiv sind. Nur teilungsaktive Zellen können durch Zytostatika vernichtet werden. Viele Zellen befinden sich jedoch in einer Ruhephase und können in dieser Zeit nicht durch die Medikamente erreicht werden. Die Ruhephase einer Zelle kann Wochen bis Monate dauern. Werden durch einen Behandlungszyklus die gerade teilungsaktiven Krebszellen zerstört, beenden daraufhin viele Tumorzellen ihre Ruhephase und können im nächsten Behandlungsschritt durch die Zytostatika angegriffen werden.
Eine kurze Vortherapie leitet die Behandlung ein und reduziert eine große Zahl der Krebszellen. An sie schließt sich eine intensive, mehrere Wochen andauernde Induktionstherapie an, die darauf abzielt, möglichst viele Krebszellen zu vernichten. Der darauf folgenden, mehrmonatigen Konsolidierungs- und Intensivierungstherapie sollen die verbliebenen Krebszellen zum Opfer fallen. Außerdem zielt diese Behandlungsphase darauf ab, sicherzustellen, dass die Erkrankung sich nicht weiter ausbreitet. Um das Rückfallrisiko zu mindern und eventuell noch verbliebene Krebszellen zu erreichen, folgt im Anschluss eine Reinduktionstherapie, an die sich eine Erhaltungs- oder Dauertherapie anschließt. Insgesamt dauert eine Chemotherapie bei Leukämie in der Regel 1,5 bis 2 Jahre.
Ist eine Stammzelltransplantation geplant, kann eine Hochdosis-Chemotherapie dazu dienen, alle bösartigen Blutzellen und das Blut bildende System im Knochenmark zu zerstören. Im Anschluss werden dann gesunde Blutstammzellen übertragen.
Zu den unerwünschten Effekten der Zytostatika gehört es, dass diese Gifte auch gesunde Körperzellen schädigen. Besonders gefährdet sind körpereigene Zellen, die sich rasch teilen – wie z.B. die Zellen der Darmschleimhaut oder Haare. Mögliche Auswirkungen einer Chemotherapie sind daher Durchfall, Übelkeit und Erbrechen sowie Haarausfall. Auch die Fortpflanzungsorgane der Jungen und Mädchen können beschädigt werden.
Substanzspezifische Nebenwirkungen können u.a. sein:
· Hörschäden bis hin zum Hörverlust
- Nierenschäden
- Blutige Blasenentzündung
- Nervenentzündung
Einigen Nebenwirkungen kann gut vorgebeugt werden. So gehören Medikamente gegen Übelkeit oder zum Schutz der Blase bereits zum Therapieschema hinzu. Eine Chemotherapie kann mit starken Schmerzen und Krankheitsgefühl verbunden sein. Durch die Verbesserung der Zytostatika, aber auch durch konsequente Vorbeugung und Bekämpfung von Nebenwirkungen kann die Chemotherapie im Einzelfall jedoch wesentlich weniger belastend verlaufen.
Mit Büchern und Videos der Kinderkrebsstiftung können Kinder und Jugendliche altersentsprechend auf eine bevorstehende Behandlung vorbereitet werden.
Strahlentherapie
Bei der Strahlentherapie wird das Erbgut in den Zellkernen (DNA-Ketten) mit elektromagnetischen Strahlen zerstört. Sie wird sorgfältig geplant, um Schäden am gesunden Gewebe so gering wie möglich zu halten. Wenn der Verdacht besteht, dass die Erkrankung auf das Gehirn übergegriffen hat, wird sie ergänzend zur Chemotherapie eingesetzt. Darüber hinaus nutzt man sie im Bedarfsfall in der Vorbereitungsphase einer Stammzelltransplantation ergänzend zu einer Hochdosis-Chemotherapie.
Kindern und Jugendlichen wird der Ablauf der Behandlung zuvor genau erklärt. Eine Bestrahlung dauert nicht lange und ist nicht schmerzhaft. Aber der Patient muss während der Behandlung eine individuell angefertigte Kopfschale tragen, die den Kopf exakt positioniert, und ganz ruhig liegen. Eltern sollten diesbezüglich aber keinen Druck ausüben. Wenn das Kind nicht ruhig liegen bleiben kann, erhält es ein Medikament zur Beruhigung.
Kleine Kinder können den Ablauf in einem Rollenspiel üben. Hierzu gehört auch die Vorbereitung darauf, dass sie im Bestrahlungsraum alleine bleiben müssen. Altersentsprechendes Informationsmaterial ist bei der Kinderkrebsstiftung e. V. erhältlich. Für die Zeit im Warteraum kann eine Tasche mit ausgewähltem Spielzeug gepackt werden.
Die Nebenwirkungen sind denen der Chemotherapie ähnlich: Müdigkeit, Appetitlosigkeit, Übelkeit, Erbrechen, Entzündungen der Mundschleimhaut, Kopfschmerzen, Schwindelgefühl, Sehstörungen, Schwellungen und Hautrötungen bis hin zu sonnenbrandähnlichen Hautveränderungen im Bereich des bestrahlten Gewebes, Narbenbildung, Haarausfall, aber auch Fieber. Durch eine Beschädigung der weißen Blutzellen und der Blutplättchen sind die Anfälligkeit für Infekte und die Blutungsneigung erhöht.
Stammzelltransplantation (HSZT oder SZT)
Eine Stammzelltransplantation kann notwendig werden, wenn das erkrankte Kind auf die Chemo- und Strahlentherapie nicht im erwünschten Ausmaß anspricht. Bevor sie durchgeführt werden kann, müssen verbliebene Krebszellen und das Blut bildende System im Knochenmark durch eine Hochdosis-Chemotherapie zerstört werden (vorbereitende Behandlung, Konditionierung). Im Anschluss werden dem Kind gesunde Stammzellen eines Spenders (allogene Transplantation) oder eigene Stammzellen (autologe Transplantation) über eine Bluttransfusion zugeführt.
Für eine allogene Tansplantation werden dem Spender Blutstammzellen entweder aus dem Beckenkamm oder aus dem Blut entnommen. Eine Transplantation ist nur erfolgreich, wenn das Abwehrsystem des Empfängers das Transplantat nicht abstößt und umgekehrt die Abwehrzellen im Transplantat nicht die Empfängerorgane als fremd erkennen und schädigen. Daher müssen die Spender-Zellen mit denen des Erkrankten gewebeverträglich sein (histokompatibel). Unter Geschwistern beträgt die Wahrscheinlichkeit für eine Übereinstimmung 25%. Vorteil ist, dass die Abwehrzellen des Spenders eventuell verbliebene Leukämiezellen erkennen und vernichten können. Voraussetzung für die allogene Transplantation ist aber auch, dass sich ein Spender für eine Knochenmarksentnahme zur Verfügung stellt.
Bei der autologen Tansplantation werden körpereigene Stammzellen, die in einer Remissionsphase gewonnen wurden, verabreicht. Die Annahme dieser Stammzellen ist besser als die von Fremdspendern, jedoch sind die Ergebnisse wegen nicht erkannter malignen Zellen schlechter.
Die Behandlung führt aufgrund der Knochenmarksschädigung zu einem vorübergehenden Ausfall der Blutzellbildung. Folgen sind ein Mangel an roten, weißen Blutkörperchen und Blutplättchen. Transfusionen können der Anämie und der Blutungsneigung entgegenwirken. Weitaus gefährlicher ist die fast komplett ungeschützte Abwehrlage, in der sich der Patient befindet. Er muss daher steril abgeschirmt leben, da jeglicher Kontakt mit Keimen zu einer tödlichen Infektion führen kann. Dies erfordert ein Höchstmaß an Geduld, Disziplin und Belastbarkeit, da somit auch die mitmenschlichen Kontakte nur über sterile Schutzkleidung oder zeitweise gar nicht möglich sind.
Bis die übertragenen Stammzellen im Knochenmark die normale Blutbildung aufnehmen, vergehen meist in der Regel 10 bis 20 Tage. In vielen Fällen können die Patienten die Isolierstation bereits 14 Tage nach der Übertragung der Stammzellen verlassen.
Die Entscheidung für eine Transplantation wird sehr sorgfältig erwogen. Bei akuten Leukämien wird eine Transplantation meist erst nach dem ersten Rückfall (Rezidiv) getroffen, da vorher die Langzeitprognose unter Chemotherapie gut ist.
Die häufigsten und gefährlichsten Komplikationen einer Stammzelltransplantation sind:
- Abstoßungsreaktionen (Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion, Graft versus Host-Disease)
Abwehrzellen des Spenders führen zur Zerstörung des Gewebes des Empfängers. Betroffen sind oft Haut, Darm und Leber. Diese Abstoßungsreaktion kann sofort, aber auch noch bis zu Monaten nach der Behandlung auftreten. Eine medikamentöse Behandlung zielt daher darauf ab, diese zu unterbinden oder zumindest abzuschwächen.
- Toxische Nebenwirkungen der Hochdosis-Chemotherapie:
Unter anderem Übelkeit und Erbrechen, Durchfall, Haarausfall, Herzerkrankungen, Leberversagen oder Spätfolgen wie Wachstumsverzögerung, Unfruchtbarkeit und das Auftreten von einer weiteren Krebserkrankung.
- Infektionen
Vor allem die ersten Wochen stellen ein Risiko für Infektionen v.a. mit Pilzen und Bakterien dar. Die betroffenen Patienten erkranken meist an einer Lungenentzündung oder Blutvergiftung (Sepsis). Nach den ersten 3-6 Monaten hat sich das Immunsystem in der Regel wieder erholt.