Heute die Kinder, morgen das Pflegepersonal, die Verkäufer*innen
Prof. Dr. Joachim Trebbe, Universitätsprofessor am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität Berlin, sagt über die öffentlich rechtlichen Fernsehmedien und den dazugehörenden Drittprogrammen bei t-online.de, was ich mich nicht zu sagen trauen würde: Im Prinzip greifen (Anm.: bei der Coronakrise) die gleichen Mechanismen, wie sie auch in der Alltagsberichterstattung greifen. Nur: Sie führen zu einem komplett anderen Ergebnis. Weil sich alle darauf stürzen, was gerade die größte Betroffenheit, den größten Schaden und das größte Risiko bedeutet. Auf der anderen Seite garantiert es die größte Reichweite, denn die Leute interessieren sich dafür. Das führt dazu, dass momentan fast ausschließlich Corona-Themen aufbereitet werden.
Parallel dazu fordern Politiker, manche schon im Wahlkampfmodus, alle sollen sich an die Vorgaben halten, Ruhe bewahren, dies wirkt nicht nur auf Kinder und Jugendliche wie immer wiederholte pastorale Beschwichtigungsformeln. Dazu kommen dann in den Rundfunk- und Fernsehmedien für Kinder tagtäglich angstverbreitende Schreckensmeldungen. Aus der Sicht von Kinder- und Jugendärzten wird die Glaubwürdigkeit der Medien immer noch zu hoch eingeschätzt, sind sie doch nur auf der Jagd nach immer neuen Hiobsbotschaften – bad news are good news!
Diese Berichterstattung ist für Kinder, die ihre Freunde oder Verwandte nicht besuchen dürfen, deren Alltag anderen Gesetzmäßigkeiten folgt, deren Eltern gestresst und sorgenvoll sind, nicht zu akzeptieren. Auch dieses Enkel-Oma- Klischee ist für Medien typisch, jeder muss so etwas auf Sendung haben. So als wären andere Besuchsverbote, wie der Besuch beim getrennt lebenden Vater, dem Besuch der großen Schwester, die auswärts studiert, der Tante, mit der man immer so viel Spaß haben kann oder dem gar dem Partner nicht belastend.
Weitere Klischees in der Berichterstattung trifft man bei der Abwägung Gesundheit gegen wirtschaftliche Verluste. Zugegeben, es ist ein schwieriges Thema, Kontaktverbote haben auch andere Infektionen deutlich vermindert, möglicherweise so sehr, dass insgesamt trotz Corona weniger sterben. Unter Fachleuten ist unbestritten, unter der Panikmache leiden Kinder am meisten, dieses Leiden ist mehr als Infektiosität im Vordergrund. Auf der anderen Seite dieses Vergleiches stehen die wirtschaftlichen Schäden. Aber auch die wirtschaftlichen Schäden machen krank, Armut macht krank, Zukunftsängste machen krank, Isolation von Kolleg*innen oder Mitschüler*innen macht krank. Wollen wir von Corona lernen, nach Corona gerade bei Kindern in diesem Sinne achtsamer zu sein?
Falls Sie, die dies lesen, uns unterstützen wollen, wenden Sie sich an lokale Medien und Politiker. Berichten Sie davon, dass man auch Positives in der Krise berichten kann. Die Berichterstattung in den Medien ist genau das Gegenteil von dem, was Politiker sich von Familien wünschen. Heute ist das gesprochene Wort für Familien und Kinder nur Trost für bessere Zeiten, morgen gilt dies für Pflegekräfte und Verkäufer*innen.
Wollten wir nicht auch Gutes aus der Krise für die Zukunft entwickeln? Verantwortungsvolle Berichterstattung jetzt und nachfolgend ist dann hilfreich.
Uwe Büsching