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Anti-Drogentag: Gefahr „legaler“ Drogen nicht unterschätzen

Seit nunmehr 20 Jahren haben die Vereinten Nationen den 26. Juni zum weltweiten Anti-Drogen-Tag erklärt, um verstärkt auf die Gefahren der Sucht aufmerksam zu machen. Eine aktuelle Studie der Kölner Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung sowie Zahlen des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) zeigen, dass nicht nur „illegale“ sondern vor allem auch „legale“ Drogen gefährlich sind. Jugendliche greifen wieder mehr zu Bier, Wein und Schnaps.…

Seit 1987 haben die Vereinten Nationen den 26. Juni zum weltweiten Anti-Drogen-Tag erklärt. Dieser Tag soll besonders der Suchtbekämpfung gewidmet sein. Eine aktuelle Studie der Kölner Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung sowie Zahlen des Instituts für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) zeigen, dass nicht nur „illegale“ sondern vor allem auch „legale“ Drogen gefährlich sind. Jugendliche greifen nach einem kurzfristigen Rückgang insgesamt wieder mehr zu Bier, Wein und Schnaps.Laut einer Studie der Kölner Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat „Kampftrinken“ oder Binge Drinking - im schlimmsten Fall bis zur Bewusstlosigkeit - bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen leider immer noch Konjunktur. Jeder zweite 16- bis 17-Jährige trinkt mindestens an einem Tag im Monat fünf oder mehr Gläser Alkohol in einem kurzen Zeitraum. Jugendliche greifen nach einem kurzfristigen Rückgang insgesamt wieder mehr zu alkoholischen Getränken, insbesondere zu Bier. Auch eine Umfrage des Instituts für Therapie und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) in Kiel unter fast 1.700 Schülern zwischen 11 und 16 Jahren bestätigt diesen Trend und kommt zu dem Ergebnis, dass Betrunkensein und Binge Drinking bei den im Durchschnitt 13-Jährigen Schülern relativ weit verbreitet ist.

Über die Hälfte der 16- bis 17-Jährigen haben schon mehrere Gläser Alkohol auf einmal getrunken
Wöchentlich konsumieren 12- bis 17-Jährige laut der BZgA im Durchschnitt 50,4 Gramm reinen Alkohol. Das entspricht rund 1,3 Litern Bier. Im Jahr 2004 waren es 44,2 Gramm (1,1 Liter), 2005 nur 34,1 Gramm (0,8 Liter). 51% der 16- bis 17-Jährigen kippten 2007 an einem Tag beim „Kampftrinken“ fünf oder mehr Gläser Alkohol (2005: 40%). Das Durchschnittsalter für den ersten Alkoholrausch liegt bei 15,5 Jahren. Knapp 27.000 der 10- bis 25-Jährigen wurden 2005 nach einem Alkoholrausch im Krankenhaus stationär entgiftet. Rund 160.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene von 10 bis 25 Jahren sind stark alkoholgefährdet oder bereits alkoholabhängig. Dabei imitieren sie kräftig die Erwachsenen, die international in der Spitzengruppe liegen.
Das IFT-Nord erfasste in seiner Umfrage auch das soziale Umfeld der Jugendlichen mit Alkoholerfahrung sowie deren Persönlichkeitsstrukturen. Jugendliche, die Alkohol konsumierten, hatten demnach auch meist Freunde, die häufiger tranken. Berichteten Schüler über ein Elternhaus, in dem häufiger zu Alkohol gegriffen wird, so tendierten sie selbst auch dazu. Zeigten Eltern eine klare Haltung mit festen Regeln in der Erziehung und interessierten sich für die Belange des Kindes, hatte dies laut der Studie eher einen protektiven, also Schutz ausübenden Einfluss. Jugendliche, die Alkoholkonsum bejahten, waren häufiger zugleich auch Raucher, männlichen Geschlechts und besuchten überwiegend die Hauptschule. „Die Suche nach Abenteuer und risikobereites, bei Anforderungen oft auch aufsässiges Verhalten machten sie empfänglicher für die ‚legalen Drogen’, so Dr. Wolf-Rüdiger Horn, Suchtbeauftragter des BVKJ.

Bier verdrängt Alcopops
Die Drogenbeauftragte des Bundesregierung, Sabine Bätzing, bezeichnete die Zahlen als „Besorgnis erregend“. Ursache für den Anstieg ist nach Angaben der Suchtexperten der BZgA, die rund 3.600 Jugendliche im Alter von 12 bis 17 Jahren befragten, ein höherer Konsum von Bier, aber auch von Bier-Mischgetränken und Spirituosen. Vor allem weibliche Jugendliche zwischen 16 und 17 Jahren haben Geschmack an Bier gefunden: Mehr als die Hälfte (52%) von ihnen gab an, mindestens einmal im Monat Bier zu trinken. 2004 waren es 32%. Nach wie vor trinken die gleichaltrigen Jungen am meisten Bier: 76% gaben an, mindestens einmal im Monat Bier zu trinken.

Von 1973 bis 2000 sank nach Angaben der BZgA der Alkoholkonsum von Jugendlichen in Deutschland kontinuierlich. 2001 bis 2004 verzeichneten die Experten jedoch einen Anstieg, den sie auf die „Alcopops“ zurückführen. Nach Einführung der Steuer auf die alkoholhaltigen Limonaden sank der Alkoholkonsum zwar vorübergehend, stieg 2007 aber wieder an. Zurzeit trinken 43% der Jugendlichen zwischen 16 und 17 Jahren mindestens einmal in der Woche Alkohol, vier Prozentpunkte mehr als 2005.

Eine kräftige Erhöhung der Steuer auf Bier, wie von Brüssel eigentlich verlangt, und auf süße Bier-Mischgetränke nach Vorbild der Alcopops sei derzeit nicht geplant, sagte die Drogenbeauftragte Bätzing. Stattdessen solle die Gesellschaft mehr Verantwortung übernehmen: „Fakt ist, dass in Deutschland noch zu viele Menschen zu viel und vor allem zu regelmäßig Alkohol trinken.“ Die Direktorin der BZgA, Elisabeth Pott, kritisierte, dass Alkoholkonsum allgemein als „Trinkkultur“ bezeichnet und seine Folgen verharmlost werden. Keinerlei Neigung scheint die Regierung in Berlin aber zu haben, die massive Werbung für Alkohol, insbesondere für Bier und überwiegend im Fernsehen (auch bei Sportsendungen!) zu beschneiden. „Jeden Tag werden für Alkoholwerbung 1,54 Millionen Euro, davon 1,12 Millionen Euro für Bierwerbung ausgegeben, wobei Jugendliche insbesondere für Biermixgetränke als Zielgruppe auserkoren wurden. Das ist angesichts des wieder steigenden Alkoholkonsums bei Jugendlichen ein Skandal!“ so Dr. Hartmann, der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte.

Rund 1,6 Millionen Menschen gelten in Deutschland derzeit als alkoholabhängig. Mehr als 10 Millionen Menschen konsumieren Alkoholika „in riskanter Weise“. Jährlich sterben 110.000 Nikotinsüchtige vorzeitig, und 40.000 Alkoholkranke und ca. 1.500 drogenabhängige Menschen scheiden aufgrund ihres Substanzmissbrauchs verfrüht aus dem Leben. Weitere Infos finden sich unter www.dhs.de und www.bzga.de, zum Alkohol auch bei der vom BVKJ mitgetragenen „Aktion Glasklar“ (www.aktionglasklar.de).