Über einen Zeitraum von zehn Jahren – von der dritten Klasse bis zum Abitur bzw. zur Berufsausbildung – untersuchten Prof. Dr. Wolf-Dietrich Brettschneider, Universität Paderborn und sein Potsdamer Kollege Prof. Dr. Erin Gerlach den Einfluss des Sports auf Jungen und Mädchen und gelangen zu neuen und bemerkenswerten Ergebnissen, von denen nur ein kleiner Ausschnitt referiert werden kann.
Rückhalt durch den Verein
Erfreulich für die Vereine ist etwa das Ergebnis, dass die sportliche Laufbahn keine Einbahnstraße ist. Der Anteil der Jugendlichen, die den Verein verlassen, dann aber auch wieder eintreten, ist wesentlich größer als bisher angenommen. Beachtenswert für den Nachwuchsleistungssport ist der Befund, nach dem die frühe Spezialisierung und Festlegung auf eine Sportart und die frühzeitige Begegnung mit dem Wettkampfsystem für eine Leistungssportkarriere eher hinderlich als förderlich sind. Auch spielen die vorhandenen motorischen Kompetenzen in diesem Alter noch keine entscheidende Rolle, vielmehr sind Motivation und Beharrlichkeit die besten Voraussetzungen für stabile Vereinskarrieren. Der Sportverein ist für junge Menschen eine ideale Plattform zur Übernahme ehrenamtlicher Tätigkeit, selbst für die Vereinsskeptiker unter ihnen. Als eine ganz wichtige soziale Ressource erweist sich der Sportverein beim Übergang von der Primar- zur Sekundarschule, wenn nämlich schulische Leistungen oder das Selbstbewusstseins in Frage gestellt werden und die bisherige Peergruppe weitgehend verloren geht. In dieser krisenhaften Situation verhindert die Einbindung in einer Sportgruppe, dass die Heranwachsenden in ein Loch fallen – eine Leistung, die weder Eltern noch Lehrer erbringen.
Vorbeugender Effekt geringer als erwartet
Weniger positiv, aber erwartungsgemäß sind die Befunde zur Wirkung des Sportvereins auf die Gesundheit, die Prävention von Risikoverhalten, die Persönlichkeitsentwicklung oder als Motor der Integration von Migranten. Während man bei der 2002er „Brettschneider-Studie“ noch vermutete, dass ausbleibende Effekte des Sportengagements darauf zurückzuführen sind, dass der für die Entwicklung so wichtige Zeitraum der Kindheit unberücksichtigt blieb und die Studie eine relativ kurze Laufzeit hatte, um Wirkungen des Sports nachzuweisen, zeigt sich, dass selbst eine stabile und über zehn Jahre dauernde Mitgliedschaft im Sportverein keine durchgängigen positiven Effekte erzielen kann. Das gilt für die Persönlichkeitsentwicklung ebenso wie für die Prävention von Übergewicht; die Rolle des Sportvereins als Integrationsmotor ist beschränkt. Beim jugendlichen Risikoverhalten zeigt sich, dass sportliche Jungen und Mädchen deutlich weniger rauchen als ihre sport- und vereinsabstinenten Altersgenossen. Anders das Bild beim Alkoholkonsum: Der Sportverein erweist sich als Ort, an dem das Trinken von Alkohol nicht nur kultiviert, sondern auch gelernt wird, wie die Differenzierung der Sportvereinsjugendlichen in Vereinsdistanzierte und Vereinstreue sowie Ein- und Aussteiger belegt. Und auch Schutzimpfungen gegen Gewalt kann der Sportverein nicht leisten.
(Tibor Werner Szolnoki, Referat Presse und Kommunikation, Universität Paderborn)
Quelle: idw, Universität Paderborn