„Die beste und natürlichste Form der Ernährung für Säuglinge ist das Stillen“, sagt Kinder- und Jugendarzt Professor Berthold Koletzko, Stoffwechselspezialist der Universitäts-Kinderklinik München und Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit. „Es hat nicht nur viele gesundheitliche Vorteile für Mutter und Kind, sondern es fördert auch ihre emotionale Bindung und hat so positive Langzeitfolgen für die körperliche, psychische und soziale Entwicklung des Kindes. Die weltweite Empfehlung lautet: Babys sollten in den ersten vier bis sechs Monaten ausschließlich gestillt werden und auch nach Einführung der Beikost – beginnend zwischen dem 5. und dem 7. Monat – weitergestillt werden“.
Dieses Ziel wird zwar auch heute noch nicht völlig erreicht. Dennoch bedeuten die aktuellen Zahlen von „SuSe II“ einen enormen Fortschritt, wenn man sie mit der Stillhäufigkeit vor zwanzig Jahren vergleicht, betont die Stiftung Kindergesundheit: Damals wurden im Alter von vier Monaten nur noch 45% der Kinder an der Brust ernährt, heute sind es rund 60%. Im Alter von 12 Monaten wurden vor zwanzig Jahren nur noch 13% der Säuglinge teilgestillt, mittlerweile sind es 41%.
Daten aus über hundert Geburtskliniken
Die aktuelle Studie SuSe II ist eine Fortschreibung der Studie „SuSe I“, mit der 1997-1998 erstmals bundesweit Daten zum Stillen und zur Säuglingsernährung in Deutschland ermittelt wurden. An der Studie beteiligten sich diesmal 109 der 692 Geburtskliniken in Deutschland mit 3.810 dokumentierten Geburten. Zusätzlich beantworteten 966 Mütter einen Fragebogen über die Stillbedingungen ihrer Geburtsklinik, über die Dauer des Stillens und über die Ernährung jedes Babys im ersten Lebensjahr. Die Studie wurde von der Universitätskinderklinik Bochum durchgeführt und vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft gefördert.
Das mittlere Alter der teilnehmenden Mütter lag bei 32,8 Jahren, eine deutsche Nationalität hatten 91,3% der Mütter. 81% der Mütter bekamen eine Anleitung beim Stillen, meist von einer Hebamme, seltener von einer Pflegeperson oder einer Still- oder Laktationsberaterin. 62% der Mütter waren mit der Stillbetreuung in der Klinik voll zufrieden, nur 4,5% waren nicht zufrieden.
Die Ergebnisse zeigen eine erfreuliche Zunahme der Stillfreudigkeit und der Stillförderung, betont die Stiftung Kindergesundheit. Die Rahmenbedingungen für das Stillen haben sich in den deutschen Kliniken im Vergleich zu früher deutlich verbessert: Heute wird den Müttern häufiger eine praktische Unterstützung beim Stillen angeboten.
Dass die große Mehrheit der Mütter mit der Stillförderung in ihrem Krankenhaus zufrieden war, spricht für die großen Bemühungen der Kliniken um die Stillförderung im Rahmen ihrer Möglichkeiten. So konnten 98% der stillwilligen Mütter in der Geburtsklinik ein Voll-Rooming-in praktizieren, das heißt, das Kind konnte Tag und Nacht bei der Mutter verbringen.
SuSe II-Studie: Wichtige Daten und Fakten
Nach der Entbindung haben 97% der Mütter den Versuch unternommen, ihr Baby zu stillen. Zum Zeitpunkt der Entlassung aus der Geburtsklinik wurden noch 77% der Neugeborenen voll gestillt. Alles in allem kamen 82% der Babys nach der Geburt ausschließlich oder durch Teilstillen in den Genuss von Muttermilch.
Mit 55,8% blieb der Anteil voll bzw. ausschließlich gestillter Babys bis zum Alter von vier Monaten auf einem sehr hohen Niveau.
Am Ende des ersten Lebensjahres wurden alle Babys mit Beikost gefüttert, 41% von ihnen wurden daneben auch noch gestillt.
Im europäischen Vergleich liegen die Ergebnisse der SuSe II-Studie im Bereich von Ländern mit traditionell hohen Stillquoten wie der Schweiz und Skandinavien.
Stillen ist auch am Arbeitsplatz möglich!
Ein Jahr nach der Geburt ihres Kindes übten 39% der Mütter wieder eine berufliche Tätigkeit aus. 36% von ihnen haben dabei ihr Kind weiter gestillt. Nach Angaben von 64% dieser Mütter wurde das Stillen an ihrem Arbeitsplatz von ihrem Arbeitgeber unterstützt.
Arbeitgeber können das Stillen fördern, indem sie Arbeitszeiten und Stillpausen an die Bedürfnisse ihrer Mitarbeiterinnen anpassen und geeignete Räumlichkeiten für das Stillen bereitstellen. Die Zeit zum Stillen ist durch das Mutterschutzgesetz gesichert und beträgt mindestens zweimal täglich eine halbe Stunde oder einmal pro Tag eine Stunde. Das sind indes Mindestvoraussetzungen, unterstreicht die Stiftung Kindergesundheit: Der Stillbedarf kann im Einzelfall höher liegen und weitere Stillpausen nötig machen, besonders bei noch sehr jungen Kindern.
Muttermilch ist gesund, praktisch und preiswert
Das Stillen bietet vielfältige und praktische Vorzüge für Mutter und Kind. Die Stiftung Kindergesundheit nennt die wichtigsten:
- Die Muttermilch ist leicht verdaulich.
- Ihre Abwehrstoffe schützen das Baby vor Ansteckungen aller Art und vor vielen Infektionskrankheiten, wie Durchfall oder Mittelohrentzündungen.
- Die Nährstoffgehalte in der Muttermilch decken in idealer Weise den Bedarf des Babys und haben in vielen Fällen eine bessere Bioverfügbarkeit als Säuglingsmilchnahrungen. Der Körper der Mutter bildet für jede Entwicklungsphase des Babys die optimal zusammen gesetzte Milch.
- Gestillte Kinder sind seltener krank als nicht gestillte Kinder. Sie sind im späteren Leben weniger häufig übergewichtig, haben auch ein geringeres Risiko für Diabetes und für die entzündliche Darmerkrankung Morbus Crohn. Wer als Baby gestillt wurde, hat als Erwachsener niedrigere Cholesterinwerte und weniger Gefäßablagerungen.
- Muttermilch ist immer verfügbar, hygienisch einwandfrei und richtig temperiert.
- Durch das Stillen wird das Risiko des Plötzlichen Kindstods SIDS deutlich gesenkt.
- Gestillte Kinder haben später eine höhere kognitive Leistungsfähigkeit.
- Stillen spart Zeit und Kosten und ist umweltfreundlich.
Wichtig: Unterstützung des Stillens durch den Partner
Warum wird dennoch jedes fünfte Baby nicht lange genug an der Mutterbrust ernährt? Auch dafür lieferte die „SuSe II“-Studie wichtige Hinweise: Einige Frauen wollten ihr Kind von vornherein gar nicht oder nur kurz stillen, darunter viele Frauen mit einem niedrigen Schulabschluss. Andere Mütter nannten als Grund für ein frühzeitiges Abstillen Probleme beim Stillen, z. B. Milchstau, Entzündungen oder wunde Brustwarzen. Auch eine negative Einstellung des Partners zum Stillen spielte beim vorzeitigen Abstillen eine wichtige Rolle.
Ein weiterer Grund dürfte die weitverbreitete ablehnende Haltung gegenüber dem Stillen im öffentlichen Raum sein: Aktuellen Studien zufolge steht in Deutschland jeder Vierte dem Stillen im öffentlichen Raum zwiespältig oder ablehnend gegenüber. Insbesondere das Stillen in Restaurants und Cafes gilt vielen Menschen als unangemessen.
„Durch sachorientierte und umfassende Information der Öffentlichkeit über den hohen gesundheitlichen Wert des Stillens sollte auch ihre Akzeptanz in der Gesellschaft noch weiter verbessert werden“, hofft Professor Berthold Koletzko. Er ist überzeugt: „Die Förderung des Stillens bleibt eine wichtige Aufgabe für das Gesundheitswesen“.
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(Giulia Roggenkamp Pressestelle, Stiftung Kindergesundheit)
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