Bei einer systemischen juvenilen idiopathischen Arthritis (sJIA) greifen autoimmune Entzündungsprozesse nicht nur Gelenke, sondern auch Organe an. Für viele Kindern, die unter einer sJIA leiden, hat eine Klasse von Medikamenten, die als „Biologika“ bezeichnet werden, dramatische, lebensverändernde Verbesserungen mit sich gebracht. Derzeit äußern Experten von Cincinnati Children und anderen Organisationen jedoch Bedenken hinsichtlich einer seltenen und möglicherweise tödlichen Lungenkomplikation, die bei wenigen Kindern auftritt, die diese Medikamente einnehmen.
In einer Studie, die als Titelartikel der Novemberausgabe von „Arthritis & Rheumatology“ veröffentlicht wurde, dokumentieren die Wissenschaftler des Cincinnati Children's Hospital 18 Fälle von Patienten, die an einer sogenannten "systemischen JIA-assoziierten Lungenerkrankung" (systemic JIA-associated lung disease: SJIA-LD) leiden. Die Studie berichtet auch, dass eine frühzeitige Erkennung und Behandlung das Risiko, an dieser Krankheit zu sterben, stark verringern kann.
Die Autoren wünschen, dass Ärzte, die sich um diese Patienten kümmern, von dieser Komplikation wissen. “Eltern und Angehörige dieser Patienten sollten mit ihren Ärzten über diese Lungenerkrankung sprechen und sicherstellen, dass Ärzte darauf achten “, hoffte Dr. med. Grant Schulert, Rheumatologe am Cincinnati Children's Hospital und Hauptautor der Studie.
Systemische JIA ist seltene Form der juvenilen idiopathischen Arthritis (JIA)
Juvenile (jugendliche) idiopathische (selbstständige Krankheit) Arthritis verursacht schmerzhafte Entzündungen in einem oder mehreren Gelenken, die normalerweise mit einem geschwollenen Knie beginnen und sich häufig auf Hüften, Knöchel, Zehen und Schultern ausbreiten. Die systemische JIA ist viel seltener und tritt bei etwa 10 bis 15% aller Kinder mit JIA auf. Im Gegensatz zu anderen Formen der Arthritis greift sJIA den gesamten Körper an. Kinder entwickeln normalerweise hohes Fieber, das wochenlang anhalten kann. Viele bekommen auch einen Ausschlag, der kommt und geht.
"Das klinische Muster, das wir bei diesen Patienten [mit der Lungenkrankheit] beobachten, deutet darauf hin, dass es sich möglicherweise um eine neue Krankheit handelt“, so Schulert.
Biologika für Großteil der Kinder mit sJIA nach wie vor hilfreich
Viele Jahre lang behandelten Ärzte die durch sJIA ausgelösten Entzündungen mit hohen Dosen von Steroiden und anderen Medikamenten.
Aber um 2005 begannen Kinder mit sJIA von einer Klasse von Medikamenten namens Biologika zu profitieren. Das sind u.a. im Labor modifizierte Proteine bzw. Eiweiße, die aus lebenden Zellkulturen gewonnen werden und körpereigenen Substanzen sehr ähnlich sind, Antikörper und andere organische Substanzen, die die Immunantwort verbessern sollen.
„Ich denke nicht, dass wir sagen sollten, dass diese Medikamente nicht verwendet werden sollten. […]95% der Patienten mit sJIA, die Biologika einnehmen, entwickeln keine Lungenerkrankung und diese Medikamente haben ihr Leben wirklich verändert “, erläuterte Schulert.
Früher war dies eine Form von Arthritis, die die meisten Einschränkungen mit sich brachte. Kinder hatten Wachstumsstörungen, signifikante Komplikationen durch den langfristigen Gebrauch von Steroiden und viele erhielten im Teenageralter bereits einen Gelenkersatz. "Die Einführung dieser Medikamente ist wirklich eine Revolution", verdeutlichte Schulert. „Wir veranstalten jeden Sommer ein Arthritis-Camp, das früher von Kindern in Rollstühlen dominiert wurde. Jetzt können wir Reiten, Kanufahren und andere ‚normale‘ Aktivitäten eines Sommercamps anbieten. Das liegt vor allem an dieser Revolution in der Behandlung.“
Über mehrere Jahre hinweg seien kaum Komplikationen aufgetreten. Seltene Komplikationen könnten jedoch schwer zu erkennen und zu verstehen sein, insbesondere wenn die Erkrankung selbst selten sei, so die Autoren.
Chronischer Husten sowie Schwäche und Trommelschlägelfinger
Zu den frühen Symptomen der Lungenerkrankung zählen chronischer Husten, Energieverlust und andere vage Symptome, die Anzeichen für viele harmlose Erkrankungen sein können. Ärzte haben ein ungewöhnliches Symptom festgestellt: Aus unklaren Gründen entwickeln einige der Kinder mit Lungenproblemen eine merkwürdige Schwellung der Fingerspitzen, die als „Clubbing“ bzw. Trommelschlägelfinger oder Kolbenfinger bezeichnet wird, so Schulert.
Die 18 von Cincinnati Children's gemeldeten Fälle wurden zu einer Liste von mehr als 100 ähnlichen Fällen, die seit 2012 dokumentiert wurden, hinzugefügt. Die ersten Fälle wurden von der Childhood Arthritis and Rheumatology Alliance (CARRA) registriert, weitere Fälle aus mehreren Ländern von Wissenschaftlern der Stanford University und anderen Zentren. Viele dieser Fälle wurden der US-amerikanischen Food and Drug Administration als unerwünschte Nebenwirkung gemeldet.
Schätzungsweise 6% der Kinder mit sJIA und Biologika-Behandlung von „Lungenkrankheit“ betroffen
Cincinnati Children’s Hospital- eines der weltweit führenden Forschungs- und Behandlungszentren für JIA - schätzt, dass diese Lungenerkrankung bei etwa 6% der Kinder mit sJIA auftritt.
Von den 18 in der neuen Studie beschriebenen Fällen ist keiner der Patienten verstorben. Seitdem Cincinnati Children’s Hospital den Artikel eingereicht hat, wurden insgesamt 27 Patienten mit Lungenkomplikationen untersucht, und eines dieser Kinder starb. Andere Patientengruppen, die von Stanford-Wissenschaftlern und anderen identifiziert wurden, hatten höhere Sterblichkeitsraten.
„Wir haben uns entschieden, unsere eigenen Beobachtungen zu veröffentlichen, da wir über einige zusätzliche Informationen verfügen […], die es uns möglich machten, einige Gemeinsamkeiten bei diesen Kindern zu identifizieren und die Komplikation in den meisten Fällen zu bewältigen."
Keines dieser Kinder hatte Lungenprobleme bei der Erstdiagnose von sJIA. Stattdessen traten die Lungenprobleme einige Wochen bis einige Monate nach Beginn der Behandlung mit Biologika auf, berichtete Schulert.
Die meisten Kinder mit Lungenkrankheit litten auch an Makrophagen-Aktivierungssyndrom
Die Kinder, bei denen die Lungenprobleme auftraten, waren zum Zeitpunkt der Diagnose ihrer sJIA weniger als 2 Jahre alt, ihre Behandlung mit Biologika führte häufig nicht zu einer Remission ihrer Erkrankung und bei acht der 18 Kinder traten Nebenwirkungen auf, darunter Allergien und Leberkomplikationen. Wichtig ist, dass 80% der Kinder mit Lungenerkrankungen bereits an einem Makrophagen-Aktivierungssyndrom (MAS) litten, einer weiteren gefährlichen Komplikation von sJIA. Das Makrophagen-Aktivierungssyndrom (MAS) ist eine seltene Komplikation im Rahmen von Autoimmunerkrankungen, das gekennzeichnet ist durch eine Fehlregulation des Immunsystems mit übermäßiger Aktivierung von Makrophagen („Fresszellen“ des Immunsystems), das Krankheitsbild ähnelt einer Blutvergiftung (Sepsis).
"Wir glauben, dass es einen Zusammenhang zwischen der Lungenkrankheit und MAS gibt", betonte Schulert. "Welche Rolle die Biologika dabei spielen, muss noch untersucht werden."
Was kommt als Nächstes?
Schulert und seine Kollegen untersuchen weiter die Mechanismen, die diese Komplikation verursachen könnten. Sie hoffen, genauere Anzeichen zu identifizieren, auf die Ärzte und Familien achten können, damit Behandlungen so früh wie möglich beginnen können. Cincinnati Children’s Hospital hat die Lungenkomplikation in den meisten Fällen erfolgreich behandelt. Es sind jedoch weitere Informationen erforderlich.
Quelle: <link https: www.newswise.com articles _blank external-link-new-window external link in new>newswise/Cincinnati Children’s Hospital, <link https: onlinelibrary.wiley.com doi full art.41073 _blank external-link-new-window external link in new>Arthritis & Rheumatology<link https: onlinelibrary.wiley.com doi full art.41073 _blank external-link-new-window external link in new>