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Borderline-Störungen: Sechs Prozent aller Jugendlichen in Deutschland betroffen

Intensive Gefühlsschwankungen, mangelndes Selbstbewusstsein, große Schwierigkeiten mit Beziehungen, selbstzerstörerisches Verhalten, Drogenmissbrauch und Essstörungen gehören zu den Anzeichen einer Borderline-Persönlichkeitsstörungen, die etwa 6% der Jugendlichen betrifft. Nur wenige Eltern oder Jugendliche suchen professionelle Hilfe …

In Deutschland sind etwa 6% der Jugendlichen von der Borderline-Persönlichkeitsstörung betroffen. Die Borderline-Persönlichkeitsstörung ist eine schwerwiegende psychische Störung mit Beginn in der Adoleszenz: Jugendliche sich Selbstverletzungen zu, quälen sich mit Selbstmordgedanken und nehmen Drogen, um sich zu beruhigen. Die wenigsten suchen professionelle Hilfe und viele dieser Betroffenen entwickeln im weiteren Verlauf das Vollbild einer Borderline-Störung:

  • intensive Gefühlsschwankungen,
  • schwere Störungen des Selbstwerts, mit intensivem Hass gegen sich selbst und den eigenen Körper,
  • große Schwierigkeiten, Beziehungen einzugehen und alleine zu sein,
  • chronische Selbstverletzungen, Suizidversuche, Drogeneinnahme und Essstörungen.

Die meisten der Betroffenen haben Schwierigkeiten, die Berufsausbildung abzuschließen. Erst gegen das vierzigste Lebensjahr beruhigen sich die heftigen Gefühlsstürme und die Intensität der Störung nimmt langsam ab. Obgleich in Deutschland jährlich etwa vier Milliarden Euro für die stationäre Behandlung der Borderline-Störung ausgegeben werden (15% der gesamten Kosten für psychische Störungen), wusste man lange Zeit nur wenig über das häufige Störungsbild. In den letzten zehn Jahren hat sich der Wissensstand jedoch deutlich verbessert. Kaum eine psychische Störung verzeichnet einen so enormen Zuwachs an Wissen wie die Borderline-Störung.

So weiß man heute, dass zentrale Prozesse der Emotionsregulation, das heißt hemmende Verbindungen zwischen vorderen Hirnarealen und den Zentren der emotionalen Verarbeitung gestört sind. Daher erfahren die Betroffenen nahezu alle Gefühle deutlich intensiver, stürmischer und anhaltender als Gesunde. Die Betroffenen erleben sich als Opfer dieser heftigen Emotionen und entwickeln oft schädliche Methoden wie Selbstverletzungen, nur um sich kurzfristig zu beruhigen. Bisweilen sind die Emotionen so stark, dass jedes Gefühl für den eigenen Körper verschwindet, die Wahrnehmung der Realität sich auflöst, und die Welt nur noch wie im Nebel wahrgenommen wird, oder man sich außerhalb des eigenen Körpers wähnt.
Auch bezüglich der Ursachen der Störung ist die Forschung ein Stück weiter: Über 60% der Betroffenen berichten über schweren sexuellen Missbrauch in der Kindheit – insbesondere im engeren Familiensystem. Damit ist die Borderline-Störung eine der schwerwiegendsten Folgen von lang anhaltendem chronischen Missbrauch und Vernachlässigung. Auch die Veränderungen in der Struktur des Gehirns lassen sich heute auf frühe Gewalterfahrungen zurückführen. Es ist jedoch wichtig darauf hinzuweisen, dass sexueller Missbrauch alleine keine ausreichende Erklärung für die Entwicklung dieser Störung darstellt. In der Regel kommen genetische Risikofaktoren hinzu, die jedoch noch der Aufklärung bedürfen. Zudem entwickeln immerhin 40% diese Störung, ohne dass sexueller Missbrauch in der Kindheit eine wesentliche Rolle spielt und eine ursächliche Zuweisung würde sicherlich viele betroffenen Familien in ein falsches Licht setzen.

Auch die Eltern der Betroffenen leiden erheblich unter den Gefühlsstürmen und Suizidversuchen ihrer Borderline-Kinder und benötigen dringend Unterstützung. Die Behandlung der Störung hat in den letzten Jahren große Fortschritte erbracht. Mit der sog. Dialektisch Behavioralen Therapie (DBT) wurde erstmals eine störungsspezifische Verhaltenstherapie entwickelt, die sich in mehreren großen randomisierten Studien als wirksam erwiesen hat.