So ist bislang unklar, wie sich Ärzt*innen bei der Befüllung der ePA verhalten sollen, wenn die Sorgeberechtigten differente Wünsche äußern, was in der ePA ihrer Kinder gespeichert werden soll. Auch ist unklar, ob der Widerspruch eines Elternteils ausreicht, um die ePA nicht anzulegen. Der BVKJ kritisiert, dass die Befüllung der ePA von Kindern mit hochsensiblen Daten, die zu Stigmatisierung oder Diskriminierung führen könnten, für Ärzt*innen verpflichtend ist, auch wenn diese überzeugt sind, dass dies nicht im Interesse des Kindes ist. Fatal ist aus Sicht des BVKJ außerdem, dass Jugendliche unter 15 Jahren datenschutzrechtlich ihren Sorgeberechtigten gegenüber bisher ungeschützt sind, auch wenn sie ein berechtigtes Interesse auf Nichtinformation der Sorgeberechtigten äußern (z. B. Inanspruchnahme von Verhütungsberatung, Verordnung von Verhütungsmitteln). Auch hierfür gibt es aktuell keine Lösung. Hochproblematisch ist weiterhin, dass, wenn ein oder ggf. auch beide Elternteile das Sorgerecht verlieren, bislang nicht geklärt ist, wer die ePA-Nutzungsrechte diesen nicht mehr Sorgeberechtigten entzieht und umgehend sicherstellt, dass insbesondere im Kinderschutzfall Informationen nicht an nicht mehr Sorgeberechtigte gelangen, die unter Umständen das Kind gefährden können.
Dr. Michael Hubmann, Präsident des BVKJ, betont: „Wir begrüßen eine moderne und funktionale digitale Patientenakte. Aber solange die von uns benannten Probleme nicht gelöst sind, werde ich Sorgeberechtigten und Patient*innen dazu raten, die Entscheidung über ihre Teilnahme an der ePA sorgsam abzuwägen. Der Opt-Out muss bei Kindern die niederschwelligste Option sein. Der Wunsch auf Nichtspeicherung muss, auch wenn er nur von einem Elternteil oder einem Kind über 14 Jahren geäußert wird, Berücksichtigung finden. Eine zukünftige Bundesregierung ist aufgefordert, hier gesetzlich nachzubessern.“
Diesen Forderungen, die der BVKJ bei seiner Delegiertenversammlung bekräftigt hat, hat sich inzwischen auch die KV Bayern angeschlossen. Und auch die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung verabschiedete am 06. Dezember einen Beschluss mit folgenden Forderungen: Die ePA bei Minderjährigen müsse von einem Opt-Out auf ein Opt-In-Modell umgestellt werden, da Minderjährige keine Verantwortung für spätere Nachteile übernehmen können. Abrechnungs- und Diagnosedaten der Versicherten müssten von den Krankenkassen so in die ePA eingestellt werden, dass sie ausschließlich vom Versicherten selbst eingesehen und erst bei Bedarf anderen behandelnden Personen zur Verfügung gestellt werden können. Des Weiteren müssten die Krankenkassen ihre Versicherten sachgerechter und sehr viel umfangreicher als bisher über die ePA aufklären.