Die Forscher werteten 87 Studien aus der ganzen Welt (zwischen 2000 und 2018) aus, an denen etwa 24.774 Kindern im Alter von 0 bis 19 Jahren und deren Eltern teilnahmen. "Trotz der Versuche, die Öffentlichkeit für das Problem ‚Übergewicht‘ zu sensibilisieren, deuten unsere Ergebnisse darauf hin, dass Kinder mit Übergewicht häufig nicht als wirklich dick wahrgenommen werden", kommentierte Abrar Alshahrani von der Universität Nottingham, Großbritannien, der die Forschung leitete. "Dass alle diese Fehleinschätzung erkennen, ist der erste Schritt, damit Fachkräfte im Gesundheitsbereich Familien helfen können. Dies ist besonders wichtig für das Kind selbst, die Eltern und Fachkräfte, die sich um sie kümmern. Unsere Studie ergab ebenfalls, dass auch Angehörige der Gesundheitsberufe dazu neigen, das Gewicht der Kinder zu unterschätzen, was darauf hindeutet, dass übergewichtigen Kindern möglicherweise nicht die Unterstützung angeboten wird, die für ihre Gesundheit wichtig wäre."
Weltweit hat sich die Zahl der Kinder und Jugendlichen mit Adipositas in den letzten vier Jahrzehnten verzehnfacht, von 5 Millionen Mädchen im Jahr 1975 auf 50 Millionen im Jahr 2016 und von 6 Millionen auf 74 Millionen Jungen. In Europa sind 19-49% der Jungen und 18-43% der Mädchen übergewichtig oder leiden unter Adipositas. Dies entspricht ungefähr 12-16 Millionen übergewichtigen Jugendlichen, von denen nur sehr wenige eine angemessene Behandlung erhalten. Frühere Untersuchungen an Erwachsenen haben gezeigt, dass Lebensstilveränderungen, das Bemühen abzunehmen und Arztbesuche davon abhängen, wie gut und genau jemand einschätzen kann, ob er dick bzw. übergewichtig ist.
In der aktuellen Studie untersuchten Alshahrani und seine Kollegen von der University of Nottingham, wie häufig das Gewicht von Kindern unterschätzt wird und welche Faktoren dies beeinflussen. Sie werteten Studien aus, in denen die Wahrnehmung des Gewichts von Betreuungspersonen, Kindern und Angehörigen von Gesundheitsberufen beurteilt und mit anerkannten Maßstäben für Übergewicht verglichen wurden. Die Ergebnisse zeigten, dass über die Hälfte (55%) der Eltern das Übergewicht ihrer Kinder unterschätzte, während über ein Drittel (34%) der Kinder und Jugendlichen auch ihren eigenen Gewichtsstatus unterschätzte. Angehörige von Gesundheitsberufen schienen ebenso zu einer Unterschätzung zu neigen, doch aufgrund der geringen Anzahl der relevanten analysierten Studien zu diesem Thema, ließ sich keine Prozentzahl dazu ermitteln.
Das Gewicht von kleinen Kindern und Jungen schätzen Eltern besonders häufig günstiger als in Realität ein
Eltern jüngerer Kinder sahen ihr Kind seltener als übergewichtig und beurteilten das Gewicht von Jungen weniger genau als von Mädchen. Außerdem sahen Eltern, die selbst übergewichtig waren und über weniger Bildung verfügten, das höhere Gewicht ihres Kindes i.d.R. seltener. Die Autoren weisen darauf hin, dass ethnische Zugehörigkeit und kulturelle Normen auch einen Einfluss auf die falsche Wahrnehmung der Eltern haben können, da einige Kulturen einen „dickeren“ Körpertyp bevorzugen. Interessanterweise bezeichneten Eltern in qualitativen Studien ihre Kinder im Allgemeinen als "grobgliedrig", "kompakt" oder "fest", anstatt den Begriff „adipös“ oder "fettleibig" zu verwenden, und äußerten den starken Wunsch, die Kennzeichnung ihres Kindes mit solchen Begriffen zu vermeiden. "Das Kindes- und Jugendalter ist ein wichtiges Zeitfenster, um Gewichtsprobleme zu erkennen und zu behandeln, denn dies hat lebenslange Auswirkungen auf die Gesundheit", so Alshahrani.
Fehleinschätzung weit verbreitet
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Fehleinschätzung bei Übergewicht von Kindern sehr weit verbreitet ist. Die Ursachen anzusprechen, warum Übergewicht nicht erkannt wird, kann einen positiven Einfluss auf die Kommunikation zwischen Kinder, Eltern und Fachkräften der Gesundheitsberufe haben, und dazu beitragen, dass alle anerkennen, dass das Kind ein höheres Gewicht besitzt."
Die Autoren räumen u.a. ein, dass ihre Ergebnisse auf Beobachtungen beruhen, sodass keine Rückschlüsse auf Ursache und Wirkung möglich sind.
Quelle: <link https: www.sciencedaily.com releases _blank external-link-new-window external link in new>ScienceDaily, <link http: eco2019.org _blank external-link-new-window external link in new>ECO 2019