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Erste-Hilfe-Kenntnisse können Kinderleben retten

Situationen, in denen Erste Hilfe notwendig ist, kann es schon bei ganz kleinen Kindern geben. Denn sie haben noch kein Gefahrenbewusstsein. Eltern sollten deshalb die wichtigsten Maßnahmen für Notfälle kennen…

Kinder sind neugierig, unvorsichtig und tollpatschig. Egal ob im Kinderzimmer oder auf dem Spielplatz - eigentlich kann immer und überall etwas passieren. „Kinder haben einerseits kein Gefahrenbewusstsein“, erklärt Dr. Jörg Schriever. „Andererseits sind sie im Fall der Fälle immer auf fremde Hilfe angewiesen“, so der Kinder- und Jugendarzt aus Mechernich (Nordrhein-Westfalen) und Beauftragte Kinderunfälle des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Eltern sind deshalb gut beraten, sich rechtzeitig damit zu beschäftigen, was zu tun ist, wenn ihr Kind stürzt, Omas Herztabletten schluckt oder den Finger in die Steckdose steckt.

Plötzlicher Kindstod: Wiederbelebung beim Säugling
Situationen, in denen Erste Hilfe notwendig ist, kann es schon bei ganz kleinen Kindern geben: „Das gilt etwa für die Gefahr des Plötzlichen Kindstodes“, so Daniela Schwenk, die beim Bundesverband des Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Berlin für die Erste-Hilfe-Programme mitverantwortlich ist. Wenn Eltern plötzlich entdecken, dass das Kind im Bett liegt und nicht mehr atmet, ist schnelle Reaktion wichtig: „Bekommt das Gehirn keinen Sauerstoff, setzt auch der Herzschlag bald aus“, erläutert Schwenk. „Dann sollte man gleich mit dem Beatmen und der Herzdruckmassage beginnen.“

Gleichzeitig sollte jemand anderes den Notarzt anrufen - wenn ein Elternteil allein zu Hause ist, gilt die Regel: Eine Minute Herz-Lungen-Wiederbelebung, dann Notruf absetzen, dann die Wiederbelebung fortsetzen.

Steckdosen: Gefahr für kleine Weltendecker
Kaum sind Kinder aus dem Säuglingsalter raus, gibt es ganz neue Gefahren: „Das Krabbelalter ist sogar besonders riskant, weil Kleinkinder dann an vieles rankommen, was vorher unerreichbar war“, sagt Daniela Schwenk. Schubladen beispielsweise sollten deswegen Kindersicherungen erhalten - genau wie Steckdosen.

Ein Stromschlag gehört für Eltern zu den Horrorvorstellungen schlechthin. Das gilt besonders, wenn das Kind die Stromquelle noch berührt, zum Beispiel mit einer Stricknadel, die es in die Steckdose gesteckt hat. Dabei droht auch den Erwachsenen Gefahr, sobald sie das Kind anfassen. „Direkter Kontakt ist dann verboten. Man kann eine Decke nehmen und damit das Kind aus der Gefahrenzone bergen“, rät Schwenk. „Oder man zieht die Sicherung raus - wenn man weiß, wo sie ist.“ Die schnellere Alternative ist auch hier immer die bessere.

Danach sollte man versuchen, das Kind anzusprechen. Wenn es nicht reagiert, jedoch noch atmet, wird es in die stabile Seitenlage gebracht. Atmet es nicht mehr, muss sofort die Wiederbelebung beginnen - also Beatmung und Herzdruckmassage. Auch gilt es, schnell den Notarzt zu rufen.

Ersticken: Kleinkinder stecken alles in den Mund
Ein weiteres Risiko gerade bei Kleinkindern ist Ersticken: „Deswegen sollten sie auch nie Kaugummi, aber auch keine Weintrauben oder Nüsse bekommen“, warnt Dr. Jörg Schriever. „Das kann den Zugang zur Luftröhre verschließen.“ Genau wie kleine Spielzeugteile, die in den Mund genommen werden. „In so einem Fall müssen Eltern mit dem Finger so weit wie möglich in den Mund greifen und damit den Weg zur Luftröhre wieder frei machen.“ Im Zweifelsfall könne es auch helfen, das Kind über Kopf zu halten.

Kleine Blessuren: Infektionsgefahr berücksichtigen
Oft ist Erste Hilfe aber auch weniger dramatisch: Wenn ein Kind hinfällt und nur leicht am Knie blutet zum Beispiel. „Die Wunden macht man am besten mit Wasser sauber“, rät Dr. Schriever. „Danach wird sie steril verbunden.“ Bei kleineren Wunden reicht dafür ein Pflaster. „Auf jeden Fall muss man sie weiter beobachten und an die Infektionsgefahr denken“, warnt der Kinderarzt - „auch bei Bagatellwunden.“ Hinweise sind eine schmerzhafte Rötung und Schwellung und eventuell ein „Pochen“ in der Wunde.

Vergiftungen: Gefahr lauert überall
Gift gilt zurecht als tückisch - Vergiftungen sind auch bei Kindern ein ernst zu nehmendes Risiko. Hochgiftig beispielsweise ist eine Flüssigkeit, die harmlos daherkommt: Lampenöl aus Duftlampen. „Das ist ein großes kinderheilkundliches Problem“, sagt Dr. Andreas Schaper von der Giftnotrufzentrale Göttingen. „Das Lampenöl kann in die Lunge gelangen und sie schädigen. Das kann tödlich sein.“

Vor allem drei Problembereiche gibt es im Zusammenhang mit Vergiftungen bei Kindern: Pflanzen, Haushaltsmittel und Tabletten. Während ein Schluck Spülmittel in der Regel eklig schmeckt, aber keine große Gefahr ist, können vor allem Medikamente schlimme Folgen haben - vor allem Herzkreislaufmittel und solche gegen Bluthochdruck. Immer wieder kommt es vor, dass Kinder ohne große Schwierigkeiten an die Tabletten herankommen - obwohl längst bekannt ist, dass Medikamente immer sicher verwahrt werden sollten.

Hat ein Kind eine Tablette geschluckt, sollte es auf keinen Fall zum Erbrechen gebracht werden: „Das schadet immer mehr als es nützt.“ Und auf gar keinen Fall darf dafür Kochsalzlösung benutzt werden, warnt Dr. Andreas Schaper. Kochsalz kann sogar selbst gefährlich für kleine Kinder sein. Solche Ratschläge seien immer wieder zu hören, aber dennoch falsch. Ratsam ist, dem Kind Wasser zu geben. „Keine Milch, die enthält Fett. Das erhöht die Resorption von fettlöslichen Giften“, warnt Dr. Schaper.
Er empfiehlt aber einen Anruf bei einer der zehn Giftnotrufzentralen in Deutschland, bei denen Mediziner eine Einschätzung des Risikos abgeben können. Die Telefonnummer der nächsten Giftnotrufzentrale steht im Telefonbuch - oder hängt am besten schon an der Pinnwand in der Küche oder im Flur. Erst einmal abzuwarten, ist die falsche Devise: „Bei Tabletten ist Eile geboten“, empfiehlt Dr. Schaper. Ein Hilfsmittel kann sein, dem Kind medizinische Kohle zu verabreichen. Ob das sinnvoll ist oder nicht, sollte aber mit dem Arzt der Giftnotrufzentrale besprochen werden. Überhaupt stößt Erste Hilfe schnell an ihre Grenzen: Den Notarzt kann sie nie ersetzen. „Im Zweifel gilt: lieber einmal zu früh als zu spät anrufen“, rät Daniela Schwenk. „Wir empfehlen die 112. Der Notarztwagen kommt in acht bis zehn Minuten.“