Ziel der Initiative Initiative „Schütz Deinen Kopf!“ ist es, Menschen jeden Alters, Nachwuchssportler*innen, Lehrkräfte aber auch medizinisches Fachpersonal für Kopfverletzungen und deren möglichen Folgen zu sensibilisieren. Mit einer App soll u.a. im Sportkontext getestet werden können, ob eine Gehirnerschütterung vorliegt.sowie ein neues kindgerechtes Instrument zur Erkennung von Gehirnerschütterungen und eine Materialbox für den Unterricht, um spielerisch Gesundheitskompetenz im Bereich Gehirngesundheit zu stärken.
Jedes Jahr werden in Deutschland über 270.000 Personen wegen eines Schädelhirntraumas in einem Krankenhaus stationär behandelt. Die Mehrheit dieser Patient*innen wird aufgrund eines sogenannten leichten Schädelhirntraumas behandelt, zu dem auch die Gehirnerschütterung zählt. Diese Zahl umfasst dabei noch nicht die Personen, die nur ambulant, z.B. beim Hausarzt, behandelt werden oder gar keine medizinische Versorgung in Anspruch nehmen. Bekannt ist, dass alleine im Sport jedes Jahr ca. 44.000 Gehirnerschütterungen auftreten, wobei amerikanische Schätzungen davon ausgehen, dass die Dunkelziffer der Gehirnerschütterungen, die nicht erkannt oder nicht medizinisch versorgt werden, etwa dreimal so hoch sein dürfte.
Oft sind Stürze mit dem Fahrrad, Unfälle im Haushalt, auf dem Schulhof oder während des Sporttreibens Ursache für die Kopfverletzung. „Obwohl eine Gehirnerschütterung eine ernstzunehmende Verletzung ist, wird sie im Alltag, in der Schule oder beim Sport oftmals zu spät erkannt oder verharmlost“, betonte Dr. Susanne Schaefer, Geschäftsführerin der ZNS-Stiftung. Das liege am Bagatellisieren wie „dieser kurze Stoß wird schon nicht so schlimm sein“, aber auch daran, dass Lehrende und Trainer*innen die verschiedenen Symptome einer Gehirnerschütterung oft nicht ausreichend gut kennen. „Mit dem Tag der Gehirnerschütterung möchten wir auf diese Situation aufmerksam machen und zeigen, wie es besser gehen kann“, erklärte Dr. Michaela Bonfert, Leiterin der Concussion Clinic im Dr. von Haunerschen Kinderspital des LMU Klinikums.
Gehirnerschütterung besser erkennen und angemessen reagieren
„Wir wünschen uns mehr Öffentlichkeitsarbeit und Schulungsangebote, damit sich verantwortliche Personen informieren und sich das notwendige Knowhow über Gehirnerschütterungen aneignen können“, so Dr. Bonfert. Es gelte dabei, Gehirnerschütterungen zu erkennen, um dann angemessen reagieren zu können und wenn nötig, Betroffenen eine ärztliche Behandlung zu empfehlen. „Dies könnte zum Beispiel über Informationsveranstaltungen und Info-Material für Sportler*innen und Nachwuchssportler*innen, Trainer*innen, Betreuer*innen, Lehrer*innen und Eltern erfolgen“, sagte Dr. Bonfert.
So werde zunehmend die „Gehirn erschüttert?“ (GET) App eingesetzt, mit der sich Gehirnerschütterungen, zum Beispiel im Kontext Sport frühzeitigt erkennen lassen. Daneben haben die ZNS-Stiftung und die Concussion Clinic gemeinsam ein altersgerechtes Instrument entwickelt, um Kindern im Kindergarten- und Grundschulalter die Symptome einer Gehirnerschütterung nahezubringen. Die Vorstellung dieses Instruments durch die neue Kinderbotschafterin der ZNS-Stiftung stellt einen der Höhepunkte der Veranstaltungen am 20. und 21. Oktober 2023 in München dar. Zudem ist es wichtig, im Schulunterricht das Wissen über Kopfverletzungen zu vermitteln und Kinder und Jugendliche selbst zu Experten rund um das Thema Gehirnerschütterung zu machen. Am 20. Oktober 2023 wird die ZNS-Stiftung daher erneut ihre Unterrichtsbox „Schütz deinen Kopf!“ vorstellen. Die Unterrichtsbox bietet Lehrenden Material und Anleitung, um Schüler*innen im Alter von 9 bis 12 Jahren anschaulich und kindgerecht für das Thema Gehirnerschütterung zu sensibilisieren.
Nach einem Sturz Hilfe zu benötigen, ist kein Zeichen von Schwäche
„Wir möchten am Tag der Gehirnerschütterung auch das Bewusstsein dafür stärken, dass es völlig okay ist, nach einem Stoß oder Zusammenprall zu sagen, dass es einem nicht gut geht, dass man sich ausruhen muss und Hilfe braucht“, betonte Dr. Schaefer. Selbst bei Ärzt*innen kann man das Thema Gehirnerschütterung und deren mögliche gesundheitliche Folgen noch weiter in den Fokus rücken. „Leider haben wir bisher kein Verfahren, mit dem sich erkennen lässt, wie gut und in welcher Zeit sich eine Person nach einer Gehirnerschütterung erholen wird. Daher sind ein eingehendes Gespräch und eine sorgfältige ärztliche Untersuchung wichtig, um mögliche Risikofaktoren zu erfassen“, erklärte Dr. Bonfert. Das sei wichtig, denn insbesondere wenn solche Faktoren vorliegen, sollte eine ausreichende Erholungsphase gefolgt von einem schrittweisen „Return-to“ Ausbildung oder Schule, Arbeit und Sport ermöglicht werden. Moderne Versorgungskonzepte wie die der Concussion Clinic des LMU Klinikums umfassen daher die Betreuung von der Akutvorstellung über die Nachsorge bis zur – wenn notwendig – Langzeitbehandlung.
Die Hälfte aller Patient*innen leidet an Spätfolgen
Spätfolgen sind bei einem leichten Schädelhirntrauma keine Seltenheit. Die Studie „Langzeitfolgen von Schädelhirntraumen mit zehn Jahren Nachbeobachtung“, die 2023 von der ZNS-Stiftung zusammen mit der BARMER Ersatzkasse publiziert wurde, zeigt, dass 50% aller Betroffenen noch nach einem Jahr über Schädelhirntrauma bedingte Probleme in Schule, Familie oder bei der Berufsausübung klagen. Dazu zählen Kopfschmerzen, Konzentrationsprobleme, verminderte Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit. Wer am Sport teilnimmt, bevor die Gehirnerschütterung ganz ausgeheilt ist, erhöht zudem sein Risiko für ein zweites Schädelhirntrauma.
„In Zukunft möchten wir solche Spätfolgen verhindern, indem wir in der Öffentlichkeit und beim Fachpersonal das Bewusstsein für eine Gehirnerschütterung und deren teils gravierende Folgen schärfen", erklärt die Geschäftsführerin der ZNS-Stiftung, Dr. Schaefer. „Wir freuen uns, wenn wir mit dem bundesweiten „Tag der Gehirnerschütterung“ hier Aufmerksamkeit schaffen können.“
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(Philipp Kressirer, Kommunikation und Medien, Klinikum der Universität München)
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Quellen: idw-online.de, Klinikum der Universität München, „Schütz Deinen Kopf!“