„Meist handelt es sich um eine Anhäufung von negativen Wechselwirkungen zwischen Kind und Mutter. Insbesondere bei unruhigen Kindern, die keine eindeutigen Fütterungssignale geben, wenn sie hungrig sind, oder nur kurze Zeit bereit sind, Nahrung aufzunehmen, fällt es der Mutter schwer zu erkennen, wann das Kind essen will. Lehnt das Kind das Nahrungsangebot dann ab, versucht die Mutter Druck auszuüben. Es beginnt ein Teufelskreis“, erklärt Dr. Ulrich Fegeler, Kinder- und Jugendarzt sowie Bundespressesprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Sowohl für Mütter als auch für Kinder ist die Fütterungssituation dann bald mit Angst verbunden. Eltern sollten in jedem Fall den Kinder- und Jugendarzt konsultieren, um organische Krankheiten als Ursache auszuschließen und aus dem Teufelskreislauf auszubrechen. Er kann helfen, die Situation zu entschärfen, den Druck zu nehmen und evtl. weitere Hilfsangebote, wie z.B. so genannte Schreiambulanzen für Babys mit Dreimonatskoliken, empfehlen.
Immer häufiger beobachten Kinder- und Jugendärzte, dass in der so genannten Individuationsphase, also ab dem 7. bis 9. Lebensmonat des heranwachsenden Säuglings, das Kind nun relativ plötzlich alles selbst machen will und die Mutter dies schwer oder nicht zulassen kann. Insbesondere intelligente Erstgeborene benutzen dann das Essen für ihre frühen Autonomiekämpfe. Denn sie bemerken rasch, dass ihre Mutter Angst hat, es könnte verhungern. Die Fütterungsszene kann so innerhalb von Stunden zur Kampfbühne werden, aus der es ohne Unterstützung von außen fast keinen Ausweg mehr gibt. Die Säuglinge verweigern wie Magersüchtige das Essen und können im Extremfall sogar schweres Untergewicht erreichen – es entsteht das Bild der so genannten „frühkindlichen Anorexie“. „Dieses Erkrankungsbild tritt typischerweise nur in Ländern auf, in denen kein Nahrungsmangel herrscht“, erläutert Fegeler. „Eltern müssen den Machtkampf möglichst schon im Entstehen unterbrechen. Dies gelingt meist nur mit fremder Hilfe. Erfahrungen mit diesen Kindern haben z.B. gezeigt, dass kleine Essensverweigerer leichter mitessen, wenn auch die Mutter isst, oder eher zu ‚Fingerfood’ greifen. Durch regelmäßige Arztbesuche mit Gewichtskontrollen können Eltern sicher sein, dass ihr Kind bestens überwacht wird“ rät der Kinder- und Jugendarzt.