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Frühkindliche Vernachlässigung hinterlässt messbare Spuren

Wenn Babys und Kleinkinder nicht genug Zuwendung bekommen, kann dies laut einer aktuellen amerikanischen Studie den Hormonhaushalt im Gehirn dauerhaft verändern. Dadurch könnte es ihnen später schwer fallen, liebevolle Bindungen zu anderen Menschen aufzubauen...

Kinder, die in den ersten Lebensjahren vernachlässigt werden, tragen seelische und körperliche Folgen davon. Zu diesem Ergebnis kamen amerikanische Forscher der University of Wisconsin-Madison. Das Fehlen einer liebevollen Bezugsperson beeinflusst demnach die Produktion jener Hormone, die eine wichtige Rolle bei der Entstehung sozialer Bindungen und dem Umgang mit Stress spielen. Kinder, die in Waisenhäusern aufwuchsen, verfügten laut der Untersuchung über geringere Mengen der Hormone Vasopressin und Oxytocin als andere Studienteilnehmer. Es hatte keine Auswirkungen, dass diese Kinder später in stabilen Familienverhältnissen untergebracht wurden. Das legt nahe, dass die Folgen der frühen Vernachlässigung bis zu einem gewissen Grad bleibend sein könnten.

Die Forscher untersuchten 18 Kinder im Alter von vier Jahren, die von amerikanischen Ehepaaren aus russischen oder rumänischen Waisenhäusern adoptiert worden waren. Diese Adoptivkinder wurden mit Kindern verglichen, die von Anfang an bei ihren leiblichen Eltern gelebt hatten. Während des Experiments wurden die Kinder gebeten, entweder auf dem Schoß ihrer Mutter, ihrer Adoptivmutter oder einer fremden Frau zu sitzen und ein interaktives Computerspiel zu spielen. Das Spiel regte die Kinder dazu an, verschiedene Formen des körperlichen Kontakts mit den Erwachsenen aufzunehmen. Dazu gehörten Flüstern, gegenseitiges Kitzeln und die Berührung der Köpfe.

Diese Art der Interaktion sollte normalerweise zu einem Anstieg der Oxytocin-Werte führen. Bei Kindern, die bei ihren leiblichen Eltern aufwuchsen, war das auch der Fall. Die 18 ehemals in Waisenhäusern lebenden Kinder zeigten keine derartige Reaktion. Der leitende Wissenschafter Seth Pollak betonte, dies bedeute nicht, dass die Kinder später im Alltag Schwierigkeiten hätten. "Wir sagen nur, für den Fall, dass sich soziale Probleme auftun, könnte hier möglicherweise die biologische Grundlage liegen. Aus diesem Wissen könne man eventuell bessere Behandlungsmethoden entwickeln.“ Nach Angaben der Wissenschaftler ist es der erste Nachweis eines neurobiologischen Effekts mangelnder Zuwendung.