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Gesundheitsreform macht Jugendliche krank

Fast eine Million Jugendliche sind von Inhalationsallergien und Neurodermitis betroffen. Seit dem 1.04.2004 müssen sie so genannte OTC-Präparate aus eigener Tasche bezahlen, d.h. u.a. Medikamente wie Augentropfen, Nasensprays und Antihistaminika, die allergische Reaktionen unterdrücken. Oft können Eltern sich nicht alle nötigen Medikamente leisten...

Fast eine Million Jugendliche, die an Inhalationsallergien und Neurodermitis leiden, könnten bald zu chronisch kranken Erwachsenen werden. Dies ist die besorgniserregende Beobachtung des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte Deutschlands (BVKJ) nach dem Beschluss des Gemeinsamen-Bundesausschusses (G-BA) in Berlin. Hintergrund sind die zum Therapiestandard bei diesen Erkrankungen gehörenden, nicht-verschreibungspflichtigen Medikamente - so genannte OTC-(engl. "Over-the-Counter") Präparate - die Jugendliche im Alter von 12 bis 18 Jahren seit 1.04.2004 aus eigener Tasche bezahlen müssen. Zu diesen Medikamenten gehören neben Augentropfen und Nasensprays auch so genannte systemische Antihistaminika, die allergische Reaktionen des Körpers unterdrücken können. "In unseren Praxen stehen verzweifelte Eltern, die die hohen Kosten von mehreren 100 € pro Kind während der Pollensaison nicht bezahlen können. Viele der Betroffenen gehen erst gar nicht mehr zum Arzt, werden nicht untersucht und erhalten so auch die medizinisch notwendige Behandlung nicht", kritisiert Dr. Wolfram Hartmann, der Präsident des BVKJ. Auch vor den gesundheitlichen Langzeitfolgen warnt der Ärztepräsident. "Gerade bei Jugendlichen werden diese Beschwerden häufig verharmlost - viele sind eigentlich gar nicht schulfähig. Wenn die Lunge mitbetroffen ist, kann es zu Asthma bronchiale kommen und somit zu einer Dauerschädigung. Die gesundheitliche Zukunft einer ganzen Generation steht auf dem Spiel", empört sich Dr. Hartmann weiter.

Mehrere 10.000 Unterschriften in wenigen Wochen
Das zuständige Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherheit (BMGS), auf diesen untragbaren Zustand aufmerksam gemacht, wiegelt in einem Schreiben vom 26. Mai ab und verweist auf die Notwendigkeit der Ausgabenreduktion im Gesundheitswesen. Auch mehrere 10.000 Unterschriften von Patienten, die seit dem 01.04. in den Praxen der Kinder- und Jugendärzte gesammelt wurden, beeindrucken die Entscheidungsträger im BMGS und im G-BA nicht. "Natürlich haben wir bereits kurz nach der Beschlussfassung vom 16.03.2004 in Berlin gegen diese unsinnige Regelung protestiert - aber offenbar interessiert man sich im Bundesministerium nicht besonders für die Gesundheit der Jugendlichen. Getreu dem Motto: Hauptsache die "(Kranken)-Kasse" stimmt - selbst wenn das auch auf Kosten der Gesundheit der Jugendlichen geht", kritisiert Dr. Hartmann weiter. "Das BMGS nimmt bewusst eine gesundheitliche Gefährdung und eine Entwicklung hin zu schwereren Verlaufsformen mit bleibenden Schäden in Kauf. Chronische Lungenerkrankungen können die Folge sein und anschließend gibt es dann wieder Chronikerprogramme - ein typisches Beispiel für eine kurzsichtige Gesundheitspolitik", stellt Dr. Hartmann fest.

Protestaktionen angekündigt
Da besonders sozial schwache Familien von dieser neuen Regelung betroffen sind, will sich der BVKJ mit dieser Situation nicht abfinden. "Unser Berufsverband sieht sich in dieser Situation mit der notwendigen, medizinischen Versorgung auch von Kindern und Jugendlichen aus ärmeren Familien konfrontiert. Wir werden uns speziell für diese Patienten einsetzen und nicht zulassen, dass Kinder, die in sozial schwachen Familien aufwachsen, so gravierende gesundheitliche Nachteile hinnehmen müssen. Das ist auch eine gesellschaftliche Verantwortung", mahnt Dr. Hartmann. Die Kinder- und Jugendärzte werden ihre Protestaktionen zusammen mit den Eltern ausweiten.