„Denn nicht nur Stress gilt als Risikofaktor für Diabetes Typ 1. Auch Virusinfekte können die Stoffwechselerkrankung mit verursachen“, erklärte Professor Dr. med. Andreas Neu, Vizepräsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG).
Während des ersten COVID-19-Lockdowns waren Kinder und Jugendliche zwei Risikofaktoren ausgesetzt, die einen Diabetes mellitus Typ 1 begünstigen können: psychischem Stress durch die sozialen Auswirkungen des Lockdowns und dem potenziellen Infekt mit dem Corona-Virus. Gleichzeitig sank das allgemeine Infektionsrisiko während der Kontaktbeschränkungen erheblich, da sie eine Übertragung anderer Infekte erschwerten. „Mit unserer Studie wollten wir einen ersten Einblick darüber erhalten, ob sich Stressfaktoren wie Kita- und Schulschließungen, Kontaktbeschränkungen, Home-Schooling und Familienkonflikte eventuell bereits früh auf die Erkrankungsrate des Typ-1-Diabetes der jungen Bevölkerung ausgewirkt haben könnte“, verdeutlicht Sascha Tittel, Erstautor des Short Reports und wissenschaftlicher Mitarbeiter am ZIBMT im Institut für Epidemiologie und medizinische Biometrie der Universität Ulm. Er verweist auf Berichte nach Katastrophen, die eine erhöhte Diabetesrate dokumentieren.
Die Autoren griffen für ihre Untersuchung auf alle Neudiagnosen zwischen Mitte März und Mitte Mai 2020 – der Zeit des Lockdowns – aus 216 Diabeteszentren in Deutschland zurück. Dabei verglichen sie diese Zahl mit den Neuerkrankungsraten jeweils für diese Monate in den Jahren 2011 bis 2019. „Über die Jahre zeigte sich insgesamt, wie erwartet, eine stetig steigende jährliche Erkrankungsrate“, so Professor Dr. med. Reinhard Holl, Leiter der Arbeitsgruppe Computergestütztes Qualitätsmanagement in der Medizin im epidemiologischen Institut der Universität Ulm. Während im März-Mai-Intervall des vergangenen Jahres 503 Neuerkrankungen registriert wurden, belaufen sich diese im gleichen Zeitraum für 2020 auf 531 Fälle. „Dies entspricht dem normalen jährlichen Anstieg. Daraus schließen wir, dass für die Zeit des ersten Corona-Lockdowns keine höhere Inzidenz vorliegt“, resümierte Mitautor Holl. Follow-up-Studien müssten diesen Kurzzeit-Effekt nun bestätigen, um mittel- und langfristige Effekte der Corona-Pandemie auf die Erkrankungsrate besser aufzuzeigen.
„Es ist erfreulich, dass durch die Extremsituation offenbar keine gehäuften Diabetesfälle bei Kindern und Jugendlichen aufgetreten sind“, betonte Neu. „Psychischer Stress kann aber nicht nur Diabetes verursachen“, gab der DDG-Vizepräsident zu bedenken. „Er verschlechtert auch die Stoffwechsellage von Menschen mit Diabetes, kann zu Komplikationen führen und für Infektionen anfälliger machen.“ Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, deren Stoffwechsel häufig Achterbahn fahre, müsse daher vor allem in Krisenzeiten auf eine gute Blutzuckereinstellung geachtet werden.
(Christina Seddig, Pressestelle Deutsche Diabetes Gesellschaft)
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