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Hilfe für spastisch gelähmte Kinder

Jährlich werden 1.600 bis 3.200 Kinder mit einer so genannten infantilen Zerebralparese geboren. Sie leiden unter spastischen Lähmungen, die u.a. durch Schädigungen des zentralen Nervensystems, insbesondere des Gehirns, vor oder während der Geburt entstehen. Die betroffenen Kinder sind später meist auf fremde Hilfe angewiesen. Neue Therapiekonzepte sollen ihnen helfen, einige alltägliche Bewegungsabläufe alleine zu bewältigen...

Spastisch gelähmte Kinder sind meist auf fremde Hilfe angewiesen. Neue Therapiekonzepte sollen ihnen nun alltägliche Bewegungsabläufe ermöglichen und erleichtern.
Von 1.000 Neugeborenen kommen zwei bis vier Kinder spastisch gelähmt auf die Welt; d.h. jährlich sind 1.600 bis 3.200 Kinder von einer so genannten infantilen Zerebralparese betroffen. Spastische Lähmungen entstehen u.a. durch Schädigungen des zentralen Nervensystems, insbesondere des Gehirns, vor oder während der Geburt. Bei Neugeborenen gelten vor allem Frühgeburt, ein zu niedriges Geburtsgewicht (speziell < 1.000 Gramm) und Sauerstoffmangel verbunden mit Durchblutungsstörungen bis hin zu Hirnblutungen, sowie vorgeburtliche Infektionen als Risikofaktoren. Bei 2/5 der Fälle kann allerdings die Ursache nicht geklärt werden.

Bleibende Behinderungen durch Hirnschädigung
Die Schweregrade einer spastischen Lähmung können sehr unterschiedlich sein. Im Vordergrund stehen grob- und feinmotorische Entwicklungsstörungen. Die Kinder können zusätzlich an Sprach-, Wahrnehmungs-, Seh- und Hörstörungen, Epilepsie, Essstörungen, Hüftproblemen oder an einer geistigen Behinderung leiden. Muskeln können sich zunehmend stark versteifen (Kontrakturen), wodurch der Bewegungsablauf erschwert wird. Große und kleine Gelenke werden blockiert, Bettlägerigkeit, Schmerzen, Einschränkungen der Darm- und Blasenfunktion können ebenso Folgen sein. Viele Kinder haben zusätzlich Anzeichen des Untergewichtes.

Bewegungen durch Wiederholung lernen
Mit den üblichen Behandlungsmethoden wie der Krankengymnastik nach Bobath und Vojta oder der Ergotherapie konnte man bisher vorwiegend Erfolge in der Grobmotorik erzielen. In einer sechsjährigen vom VdAK/AEV (Verband der Angestellten-Krankenkassen/Arbeiter-Ersatzkassen-Verband) finanzierten Therapiestudie wiesen Professor Dr. med. Dr. h. c. Hubertus von Voss und seine Mitarbeiter vom Kinderzentrum in München und Institut für Soziale Pädiatrie und Jugendmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität bei knapp 70 drei- bis sechsjährigen Kindern eine signifikante, d.h. deutliche Verbesserung der koordinativen Handmotorik sowie der Greiffunktionen durch die Konduktive Förderung nach Petö (KFP) nach. Bewegungsabläufe, wie z. B. das An- und Auskleiden, das Hinsetzen an den Tisch, Aufstehen und der Toilettengang, wurden häufig wiederholt und durch rhythmische Musik unterstützt. Damit ist der Nachweis aus wissenschaftlicher Sicht erbracht, wonach die Konduktive Förderung nach Petö eine Therapiemethode darstellt. Dieser Auffassung schloss sich das Bundessozialgericht in seinem kürzlich ergangenen Urteil (Az:B1 KR 34/01 R) zur Petö-Methode an und führte aus: "Angesichts dessen ist von einem medizinischen Charakter der Fördermaßnahmen auszugehen." Die Kosten für die Petö-Behandlung werden von den Krankenkassen in Deutschland bisher nicht erstattet, weil der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen über die Anerkennung dieser Heilmittel-Methode noch nicht (positiv) entschieden hat. Im Rahmen der Eingliederungshilfe für den Schulunterricht kann u. U. das Sozialamt die Kosten erstatten. Jedes Amt trifft Einzelentscheidungen. Auch die gesetzlichen Krankenkassen haben z. T. widersprüchlich Entscheidungen für oder gegen Kostenerstattung im Einzelfall getroffen. Da die Erkrankung sich sehr unterschiedlich äußern kann, muss für jedes Kind individuell der beste Rehabilitationsweg gefunden werden. Dazu ist die Zusammenarbeit mehrerer Fachgruppen nötig.

Mehr Mitspracherecht für Eltern im Kongress-Fokus
Die Münchner Forschergruppe betont, dass jede Therapieentscheidung für Kinder mit Zerebralparese sich an dem Schweregrad, dem chronologischen und Entwicklungsalter der Betroffenen auszurichten hat. Darüber hinaus müssen alle Therapieentscheidungen ideologiefrei getroffen werden. Forscher möchten die neuesten Erkenntnisse zur Diagnostik und Therapie der infantilen Zerebralparese auf einem Kongress einer interessierten Öffentlichkeit präsentieren. Sie zeigen u.a. auf, dass das bei Zerebralparese geschädigte Gehirn Ressourcen (Plastizität) hat. Auch Themen wie Hilfsmittelversorgung, Planen und Bauen für Menschen mit Behinderung, ethische Fragen werden behandelt. Die Veranstalter wollen mit diesem Kongress herausstellen, dass auch die Eltern ein Mitspracherecht bei der Suche nach dem rechten Weg der Therapie und Rehabilitation ihrer Kinder mit Zerebralparese haben und somit koordinierte Konzepte bei der Therapie zukünftig stärker als bisher realisiert werden müssen. Aus diesem Grund wird auch die ukrainische Arbeitsgruppe Kozijawkin ihr Behandlungskonzept bei Zerebralparese und ihre Erfahrungen bei weit mehr als 10.000 Patienten vorstellen.

Vom 19. bis 21. März findet zum Thema "Infantile Zerebralparese: Wissen - Wirklichkeit - Wünsche" ein Kongress im Klinikum Großhadern in München statt.