Kinder- & Jugendärzte im Netz

Ihre Haus- und Fachärzte von der Geburt bis zum vollendeten 18. Lebensjahr

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Interview des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte mit der Sozialministerin von Baden-Württemberg, Dr. Monika Stolz

Landessozialministerin Dr. Monika Stolz beantwortet Fragen des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) zum Thema "Pädiatriezentrierter Versorgungsvertrag (PzV) in Baden-Württemberg". Dieser Vertrag soll ähnlich wie in Bayern wichtige Vorsorgeangebote für Heranwachsende bieten ...

1. Frau Ministerin Stolz,
seit rund einem Jahr existiert in BW ein Hausärztevertrag zwischen AOK, Medi und dem Hausärzteverband. In diesem Vertrag sind keine Inhalte für pädiatrisch tätige Ärzte beschrieben - daher haben sich auch kaum Kinder- und Jugendärzte in diesen Vertrag eingeschrieben. Dieser Vertrag spiegelt in keiner Weise die völlig unterschiedliche Versorgungsrealität einer kinder- und jugendärztlichen Praxis wider. Ist eine hausärztliche Versorgung in der Altersgruppe von 0-18 Jahren ohne qualifizierte Kinder- und Jugendärzte aus Ihrer Sicht möglich?

Aus meiner Sicht ist die hausärztliche Versorgung von Kindern und Jugendlichen am Besten bei den Kinder- und Jugendärzten aufgehoben. Sie sind entsprechend aus- und weitergebildet und halten die erforderlichen Einrichtungen vor. Daraus folgt aus meiner Sicht aber nicht, dass die AOK zwingend für die Kinder- und Jugendärzte einen eigenständigen Vertrag schließen muss. Die pädiatrische Versorgung war bisher über die KV sichergestellt und kann - ohne dass es zu Versorgungsdefiziten kommt - auch zukünftig in der Regelversorgung im KV-System geleistet werden.

2. Frau Ministerin Stolz,
der Hausärztevertrag in BW beinhaltet keine pädiatrischen Angebote - es ist ein Vertrag für Erwachsene. Weshalb sollten Eltern ihre Kinder in so einen Vertrag einschreiben?

Ich gehe davon aus, dass die Eltern nur in ganz wenigen Ausnahmefällen ihre Kinder in den HzV-Vertrag einschreiben werden. Möglicherweise spielen dabei Fragen der Erreichbarkeit oder auch eines besonderen Vertrauensverhältnisses zum Hausarzt eine wichtige Rolle. Ich halte es für richtig, dass die Entscheidungsfreiheit der Bürgerinnen und Bürger nicht eingeschränkt wird. Im Übrigen hat der Gesetzgeber bestimmt, dass jederzeit ein Kinder- und Jugendarzt aufgesucht werden kann, selbst wenn ein Kind bereits im HzV-Vertrag eingeschrieben ist.

3. Frau Ministerin Stolz,
in Praxen, die im Grenzgebiet zwischen BW und Bayern liegen, wird deutlich, dass Kinder, die bei der AOK in Baden-Württemberg versichert sind, weniger Gesundheitsangebote bekommen als die gleichaltrigen Versicherten der AOK aus Bayern. Was sagen Sie den Eltern aus Baden-Württemberg, die wichtige Vorsorgen für ihre Kinder wünschen und diese aus eigener Tasche bezahlen sollen?

Was Sie mit der Frage ansprechen, sind vor allem zusätzliche Leistungen, die nicht Gegenstand der GKV-Leistungen sind, wie zum Beispiel die U 10 Vorsorgeuntersuchung. Ich halte diese Untersuchung zwar für sinnvoll, sie ist aber nach einer Entscheidung der Experten auf Bundesebene im Gemeinsamen Bundesausschuss nicht unbedingt erforderlich. Ich weiß aber, dass viele Krankenkassen mit Versicherten in Baden-Württemberg auf Nachfrage zu einer Kostenübernahme bereit sind. Ähnlich verhält es sich bei anderen Angeboten. Die AOK in Bayern profitiert offensichtlich besonders von der Zuweisungssystematik des Gesundheitsfonds und scheint entsprechende finanzielle Spielräume zu besitzen. In Baden-Württemberg ist dies nicht der Fall.

4. Frau Ministerin Stolz,
der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) setzt sich für einen eigenen pädiatrischen Versorgungsvertrag im Rahmen der hausärztlichen Versorgung ein, der hohe Ansprüche an die Qualität einer kindgerechten Medizin setzt. Was spricht aus Ihrer Sicht gegen einen solchen Vertrag (unter der Annahme, dass die Honorierung sich im Rahmen des gültigen HzV bewegt)?

Aus meiner Sicht spricht nichts gegen einen eigenen pädiatriezentrierten Versorgungsvertrag. Das habe ich – auch gegenüber den Krankenkassen in Lande – schon mehrfach betont. Ich würde einen solchen Vertrag sogar ausdrücklich begrüßen. Allerdings kann ich niemanden zu einem Vertragsabschluss zwingen. Der Gesetzgeber hat nicht bestimmt, dass für die Kinder- und Jugendärzte ein eigenständiger Vertrag geschlossen werden muss. Wie bei der Tarifautonomie müssen sich die Vertragspartner selbst miteinander auseinandersetzen. Wir haben Gott sei Dank keine Staatsmedizin, die dies über die Köpfe der Betroffenen hinweg regelt.

5. Frau Ministerin Stolz,
mit etwa 90.000 Unterschriften haben etwa 150.000 Eltern bekundet, dass sie für Ihre Kinder die Behandlung beim besonders qualifizierten Kinder- und Jugendarzt wünschen. Können die Familien mit der Unterstützung ihrer Kinder- und Jugendärzte durch das Gesundheitsministerium in BW rechnen?

Ich freue mich, dass dies von sehr vielen Eltern im Lande so gesehen wird und ich unterstütze die Eltern hierbei auch. Allerdings gehe ich davon aus, dass unsere Kinder- und Jugendärzte schon heute eine qualifizierte Versorgung den Kindern und Jugendlichen in Baden-Württemberg zukommen lassen. Und die Eltern haben - wie gesagt –auch heute schon die freie Wahl, mit Ihren Kindern und Jugendlichen zu einem entsprechenden Arzt zu gehen. Der Zugang zu Kinderärzten ist derzeit uneingeschränkt gewährleistet – und zwar unabhängig davon, ob es einen pädiatriezentrierten Versorgungsvertrag gibt oder nicht und auch unabhängig davon, ob ein Kind einem Hausarztvertrag eingeschrieben ist oder nicht.

Sollten sich darüber hinaus die Kinder-und Jugendärzte in Baden-Württemberg auf Verträge einigen, die diese schon hohe Qualität der Versorgung noch verbessern, würde mich dies nicht nur als Landessozialministerin sondern insbesondere auch als Kinderbeauftragte der Landesregierung und persönlich freuen.