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Jedes zweite Vorschulkind hat Karies

Je jünger, desto löchriger sind die Zähne der Thüringer Kinder: Während die Zähne von Schulkindern und Jugendlichen in den vergangenen Jahren gesünder geworden sind, ist mehr als jedes zweite Vorschulkind in Thüringen an Karies erkrankt…

Sechsjährige mit löchrigen Milchzähnen oder gar komplett zahnlos: Der Blick in die Münder von Thüringer Abc-Schützen stimmt Zahnärzte bedenklich. Während die Zähne von Schulkindern und Jugendlichen in den vergangenen Jahren gesünder geworden sind, ist nach Untersuchungen der Universität Jena und der Landesarbeitsgemeinschaft Jugendzahnpflege (LAGJ) im Freistaat mehr als jedes zweite Vorschulkind an Karies erkrankt. Und die nächsten Karies-Jahrgänge wachsen schon heran.

Statistisch gesehen, weist jeder Thüringer Schulanfänger 2,33 durch Karies zerstörte, fehlende oder gefüllte Zähne auf. Bei den Gleichaltrigen in Baden-Württemberg sind es nur 1,58. In Thüringen verschlechtert sich die Zahngesundheit in dieser Altersgruppe seit vier Jahren kontinuierlich. Annerose Borutta, Professorin für Kinderzahnheilkunde an der Universität Jena, warnt: „Auch bei den ganz Kleinen nimmt Karies seit Jahren zu.“ Die Diagnose werde in Thüringen bereits bei einem Fünftel der Zwei- und Dreijährigen und einem Drittel der Vierjährigen gestellt. Prof. Dr. Borutta leitet das Jenaer Mundgesundheits-Forschungszentrums der Weltgesundheitsorganisation WHO.

Ein kleine Gruppe von Kindern „sammelt“ kaputte Zähne
Die LAGJ - der Landeszahnärztekammer, gesetzliche Krankenkassen, Sozialministerium und Landkreistag angehören - spricht von einer Karies-Polarisierung. „Drei Viertel der Karies konzentriert sich auf ein Viertel der Kinder“, sagt der Vorsitzende, der Geraer Zahnarzt Michael Uhlig. Anfällig seien vor allem Kinder aus sozial schwachen Familien. „Es ist leider so, dass diese Familien andere Sorgen haben als die Zähne ihrer Kinder.“ Bildungsdefizite verschärften das Problem. „Dass unverdünnte Fruchtsäfte aus der Nuckelflasche für Kinderzähne verheerend sind, wissen viele Eltern nicht“, erklärt Professor Annerose Borutta. Zudem sei es noch relativ unbekannt, dass auch die Säuren der Fruchtsäfte den Zähnen schaden können: Sie greifen den Zahnschmelz an, vor allem beim Dauernuckeln.

Am falschen Ende gespart
Professor Borutta stimmt bedenklich, dass oft sogar auf die Behandlung erkrankter Zähne verzichtet wird: „37% der Sechsjährigen in Thüringen haben unbehandelte kariöse Zähne.“ Dabei leiden die betroffenen Kinder nicht nur unter Zahnschmerzen, auch Ess- und Sprachprobleme sowie Fehlentwicklungen im bleibenden Gebiss sind die Folge. „Milchzahnkaries verwächst sich nicht“, so Professor Borutta. Auffällig sei auch das zurückgehende Interesse an Kariesvorsorge. In den vergangenen vier Jahren sank in Thüringer Zahnarztpraxen die Zahl der Vorsorgeuntersuchungen bei Kindern und Jugendlichen um ein Viertel. Zahnärzte beklagen, dass gerade die Risikogruppen die Vorsorge vernachlässigen.

Gruppenprophylaxe sollte im Kindergarten beginnen
Umso wichtiger wird die flächendeckende Gruppenprophylaxe der LAGJ in den Kindergärten. „Dort haben wir noch am ehesten die Chance, Kinder unabhängig von Herkunft und Bildung für regelmäßige Zahnpflege zu erreichen“, findet LAGJ-Vizechef Michael Domrös, Landeschef des Thüringer Ersatzkassenverbandes. 13 speziell für die Prophylaxe ausgebildete Zahnarzthelferinnen trainieren mit den Kleinen das richtige Zähneputzen, verabreichen ihnen bei Bedarf schützende Fluorid-Gele und beraten die Erzieherinnen zur Zahnpflege. Zudem betreuen mehr als 600 niedergelassene Zahnärzte als Paten jeweils eine Kita.