Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte: "Ein Kind in einem sozial schwachen Stadtviertel hat ein viel höheres Risiko, an Übergewicht zu erkranken, psychische Störungen zu entwickeln und mit dem Rauchen und anderen Drogen anzufangen. Das hat die große KIGGS-Studie erwiesen. Und spätestens seit der ersten PISA-Studie wissen wir, dass die Schulleistung von Kindern und Jugendlichen ebenfalls eng an die soziale Herkunft gekoppelt ist. Kinder aus sozial benachteiligten Stadtvierteln erreichen seltener höhere Schulabschlüsse, sie stellen den Großteil der Schulabbrecher. Diese Benachteiligung schadet nicht nur den Betroffenen Kindern und Jugendlichen selbst, sondern auch die Gesellschaft verliert dadurch wertvolle Ressourcen. Als Kinder- und Jugendärzte fordern wir, dass Kinder, die in sozialen Brennpunkten aufwachsen, bessere Chancen bekommen, ihre Neigungen und Kompetenzen zu entfalten und gesund aufzuwachsen.
Was wir Kinder- und Jugendärzte fordern
- Ein bundesweit gültiges Qualitätsgesetz für Kindertageseinrichtungen, das verbindliche Personalschlüssel und Qualitätsvorgaben macht. Und zwar für alle Kitas überall in Deutschland. Nur so ist eine kompensatorische Förderung benachteiligter Kinder und damit Bildungsgerechtigkeit möglich.
- Gezielte Unterstützung für sozial schwache Familien durch Familienhebammen und weitere wohnortnahe niedrigschwellige Beratungsangebote.
- Schulen: Hier wünschen wir uns ein stärkeres Augenmerk der Verantwortlichen auf körperliche Gewalt und Mobbing und auch Mobbing in Sozialen Netzwerken. Lehrer müssen mehr noch als bisher dafür sensibilisiert werden und gegensteuern. Ebenfalls wünschen wir uns nach skandinavischem Vorbild mehr differenzierte Förderung in den Klassen. Begabte und entwicklungsverzögerte Kinder müssen gleichermaßen nach ihren individuellen Kompetenzen gefördert werden.
Schulkrankenschwestern: schon seit Jahren fordert der BVKJ flächendeckend an allen Schulen Schulkrankenschwestern. Diese werden gebraucht, um bei Unfällen die Erstversorgung zu leisten, um chronisch kranke Kinder zu betreuen, um die Inklusion behinderter Kinder zu begleiten, zur Sicherstellung erforderlicher Medikamentengaben, vor allem aber für die Präventionsarbeit, wo sie bei Themen wie Drogen, Essstörungen, Schulranzen-TÜV, Mediengebrauch, Verhütung wichtige Aufklärungsarbeit leisten kann und auch die Brücke zu den Kinder- und Jugendärzten vor Ort sein kann. Bei der Finanzierung sehen wir sowohl die Krankenkassen als aber auch die öffentliche Hand in der Pflicht. - Medizinische Versorgung: Wir brauchen eine bessere Ausstattung mit Kinder- und Jugendarztpraxen. In sozial problematischen Stadtvierteln haben wir heute eine zunehmende Unterversorgung mit Kinder- und Jugendärzten. Dies hängt damit zusammen, dass das derzeitige Honorarsystem den Betrieb einer Praxis in einer Gegend ohne Privatpatienten schlicht unrentabel macht. Hier ist die Politik gefordert, eine gerechtere Honorierung und eine bessere Bedarfsplanung durchzusetzen.
- Eine bessere Stadtplanung: in sozial benachteiligten Stadtvierteln fehlt es an Grünflächen, wo Kinder sich im Freien bewegen können.
- Wir brauchen endlich eine Verankerung von Kinderrechten im Grundgesetz und in allen Parlamenten Kinderbeauftragte nach dem Vorbild der Wehrbeauftragten. Diese Kinderbeauftragten müssen mit umfassenden Rechten ausgestattet werden, um staatliches Handeln gemäß Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention darauf zu überprüfen, ob bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, das Wohl des Kindes vorrangig berücksichtigt wird."
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