Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) begrüßt den Vorschlag von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, Bildungsgutscheine für Kinder einzuführen. „Die Idee, Kinder durch Bildung zu fördern, ist richtig. Falsch ist es jedoch, die Bildungsgutscheine nur als Teil der Hartz-IV-Reform zu sehen und als Mittel, die betroffenen Familien in ihrer Ausgaben-Autonomie zu beschneiden“, so Dr. med. Wolfram Hartmann, Präsident des BVKJ. „Die Bildungsgutscheine sollten allen Kindern zugutekommen. Sie sollten den Kindern eine bessere kulturelle und soziale Teilhabe ermöglichen und ihre Bildungschancen erhöhen. Wir erleben in unseren Praxen täglich, dass nicht nur Hartz-IV-Kinder schlecht gefördert werden. Auch den Beziehern kleiner Einkommen fehlen oft die Mittel und manchmal auch die entscheidenden Impulse, die intellektuelle und kulturelle Entwicklung ihrer Kinder zu fördern. Das Ergebnis sehen wir bei unseren Vorsorgeuntersuchungen: Die Sprachkompetenz vieler Kinder ist erschreckend gering, viele Fünfjährige sprechen so schlecht, dass bereits abzusehen ist, dass ihre Schulkarriere scheitern wird. Denn selbst bei frühzeitiger Diagnose lassen sich die Versäumnisse im Vorschulalter weder durch Logopädie noch andere Therapien beheben. Wichtig wäre daher Vorbeugung durch rechtzeitige und breite Förderung. Wie eine solche Förderung gelingen kann, zeigen zwei Bildungsprojekte, an denen der BVKJ mitgewirkt hat und die er im Rahmen der geplanten Bildungsoffensive gerne weiter vorantreiben würde.
Projekt “Lesestart” der Stiftung Lesen
"Bei dem Projekt “Lesestart” der Stiftung Lesen haben bei der Kinderfrüherkennungsuntersuchung U6 mit einem Jahr alle Familien in ihrer Kinder- und Jugendarztpraxis ein Lesepaket mit altersgemäßen Büchern zum Vorlesen und späterem Selberlesen bekommen. Da die U6 von über 90% aller Kinder wahrgenommen wird, haben wir bundesweit fast allen Kindern das Lesepaket geben können.
Unsere Erfahrungen damit waren sehr ermutigend. Das Lesepaket hat in vielen Familien dazu geführt, dass Eltern damit begonnen haben, ihren Kindern vorzulesen, mit ihnen über das Vorgelesene zu sprechen und damit die Sprachkompetenz ihrer Kinder spielerisch zu fördern. Nun ist die Finanzierung dieses sinnvollen Projektes nicht mehr gesichert und erstreckt sich nur noch auf sehr wenige Regionen. Wir würden es begrüßen, wenn im Sinne einer frühen Leseförderung alle Kinder im Rahmen der jährlichen Früherkennungsuntersuchungen mit einem, zwei, drei, vier und fünf Jahren jeweils ein kleines Buchgeschenk erhalten würden, das dem jeweiligen Alter angepasst ist und entsprechende Anregungen vermittelt."
Projekt “Theater auf Rezept”
"Sehr gute Erfahrungen haben wir auch mit dem Düsseldorfer Projekt “Theater auf Rezept” gemacht: In Düsseldorf erhält jedes fünfjährige und jedes zwölfjährige Kind bei der Früherkennungsuntersuchung einen Gutschein für einen Theaterbesuch. Auch dieses Angebot wird von den Familien sehr gut angenommen, es stärkt die kulturelle Kompetenz unserer Patienten maßgeblich. Das Projekt wird zurzeit auch in anderen deutschen Großstädten weiterentwickelt.
Beide Projekte richten sich einkommensunabhängig an alle Familien, niemand wird stigmatisiert. Jedes Kind profitiert von der Förderung und verbessert damit langfristig seine Bildungs- und Karrierechancen. Damit ist die Bildungsförderung auch eine gute Investition in die Zukunftsfähigkeit der gesamten Gesellschaft.”