Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte lehnt den GKV-Vorschlag ab, Ärzte zu längeren Praxisöffnungszeiten zu verpflichten.
BVKJ-Präsident Dr. Thomas Fischbach: "Der Vorschlag unterstellt, wir Ärzte seien faul und müssten mehr arbeiten, um unsere Patienten zu versorgen. Das ist eine dreiste Unterstellung! Wir Kinder- und Jugendärzte versorgen unsere Patienten gut. Außerhalb der Sprechzeiten unserer Praxen gibt es überall Notfallpraxen und Bereitschaftsdienste. Deutschland ist kein pädiatrisches Notstandsgebiet. Es gibt allerdings riesige Mängel im Gesundheitssystem, die wir nicht verursacht haben und die wir auch nicht mit längeren Praxisöffnungszeiten beheben können: in Deutschland gibt es vielerorts zu wenig Kinder- und Jugendarztpraxen, weil wir eine völlig verfehlte Bedarfsplanung haben. Viele Kinder- und Jugendärzte arbeiten heute tagtäglich am Limit - auch weil viele Eltern mit Bagatellen wie leichtem Schnupfen in die Praxen kommen und uns damit Zeit für die Versorgung wirklich kranker Patienten nehmen.
Heute schon erbringen wir zehn bis 20% aller Leistungen, ohne dass wir dafür ein Honorar bekommen. Zu dieser Form der Ausbeutung unserer Arbeitskraft soll nun auch noch die Einschränkung unserer freien Berufsausübung kommen: der Medizinernachwuchs wird ganz einfach mit den Füßen abstimmen: Sollte der unverschämte GKV-Vorschlag in die Tat umgesetzt werden und die Ärzte zwingen, samstags und abends zusätzlich ihre Praxen zu öffnen, wird sich mit Sicherheit kein junger Arzt mehr für den Weg in die niedergelassene Pädiatrie entscheiden. Heute schon sind die durchschnittlichen Arbeitszeiten von 51,5 Stunden* und mehr ein riesengroßes Niederlassungshemmnis. Auch ist es heute schon fast unmöglich, Medizinische Fachangestellte zu finden, familienunfreundliche Arbeitszeiten werden den Personalmangel noch verschärfen und damit sind unsere Praxen nicht zu halten.
Sollte man uns zwingen, unsere Praxisöffnungszeiten auszudehnen, werden viele Eltern wegen ihrer Berufstätigkeit darauf bestehen, samstags und in den Abendstunden ihre Kinder zu Vorsorgen und Impfungen zu bringen. Mit müden Kindern sind aber Vorsorgeuntersuchungen nicht durchführbar. Impfungen wirken weniger gut, wenn sie abends durchgeführt werden, der Körper bildet dann weniger Antikörper.
Statt also völlig unsinnige populistische Vorschläge zu machen, die das eigene Planungsversagen kaschieren sollen, sollte die GKV damit anfangen, Patienten bzw. Patienteneltern über Kitas, Schulen (Gesundheitserziehung als Schulfach), Elternabende etc. besser aufzuklären, so dass sie nicht mit Bagatellen unsere Praxen und Notfallambulanzen verstopfen."
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*Neben der eigentlichen ärztlichen Versorgung fallen in die Arbeitszeit auch Dokumentation, Fallkonferenzen mit Kollegen etc.
Quelle: ZI-Panel
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