Fehlernährung, Bewegungsmangel und schlechtere medizinische Betreuung: Die Kinder- und Jugendärzte in Deutschland beklagen eine Reihe massiver Fehlentwicklungen in Gesellschaft und Gesundheitswesen. Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) forderte anlässlich des Kongresses im hessischen Bad Orb unter anderem eine einfache und zielgruppenorientierte Kennzeichnung der Inhaltsstoffe von Lebensmitteln. Der Verkauf von Süßigkeiten in Schulen müsse verboten werden.
Die Neuregelung der Hartz-IV-Sätze kratze lediglich an der Oberfläche des Problems Kinderarmut. Zudem bestehe die Gefahr, dass Kinder aus sozial schwachen Schichten aufgrund von Ärztemangel künftig medizinisch nicht mehr so gut versorgt würden.
Der Politik, insbesondere der Bundesregierung, warf der Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ), Wolfram Hartmann, vor, unzureichend auf die teils seit langer Zeit anhaltenden Probleme zu reagieren. Es gebe keine überzeugenden und nachhaltigen Programme. Die alarmierenden Probleme müssten unbedingt angepackt werden. Sonst mache sich die Politik unglaubwürdig.
Der Bundesverband beklagte, dass Kinder- und Jugendärzte gegenüber Allgemeinmedizinern benachteiligt würden. „Die Zukunft einer eigenständigen Kinder- und Jugendmedizin ist in Gefahr“, befand Hartmann. Der Gesetzgeber habe in seinem jüngsten Entwurf zum Sozialgesetzbuch V die Vorrangstellung der Allgemeinärzte festgeschrieben. Hartmann sagte, die ausgebildeten Fachleute müssten aber für die Primärversorgung zuständig sein. Sie arbeiteten nicht nur kenntnisreicher sondern auch kostengünstiger. So vermieden sie in erheblichem Umfang unnötige stationäre Behandlungen.
Die Fachärzte beobachten auch mit Sorge eine wachsende soziale Kluft. Die medizinische Versorgung von Kindern aus sozial schwächeren Bevölkerungsgruppen sei stark gefährdet. Durch die anhaltende Unterfinanzierung und Pauschalierung vieler ärztlicher Leistungen im System der gesetzlichen Krankenversicherung seien Ärzte nicht mehr bereit, sich beispielsweise in sozialen Brennpunkten niederzulassen.
Sie könnten dort nicht kostendeckend arbeiten, weil die Tätigkeit dort sehr zuwendungs- und zeitintensiv sei.
Ebenso führe die fehlende Erstattung der Kosten für nicht- verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Jugendlichen ab dem vollendeten zwölftem Lebensjahr unverändert zu einer schlechteren Versorgung ärmerer Bevölkerungsgruppen. Sie könnten sich diese Medikamente, die zu einer ärztlichen Standardversorgung gerade auch bei bestimmten chronischen Erkrankungen gehören, nicht leisten.
Mit Blick auf Ernährungsverhalten und Bewegungsarmut bei der nachwachsenden Generation forderte der Verband die Bundesregierung und die Kassen zum Handeln auf. Sonst würden diese Phänomene zu weiteren Steigerungen der Krankheitskosten führen. Erfolge mit der Kennzeichnung von Lebensmittelinhaltsstoffen seien im Ausland zu beobachten. In Großbritannien habe infolgedessen die Gewichtszunahme von Mädchen um 21% abgenommen.
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