Kinder- & Jugendärzte im Netz

Ihre Haus- und Fachärzte von der Geburt bis zum vollendeten 18. Lebensjahr

Herausgeber:

Kindesmisshandlung - oft nicht erkannt

Widerfährt Kindern Gewalt, so geschieht dies in den meisten Fällen im unmittelbaren familiären Umfeld. Für Kinder- und Jugendärzte und auch für in der Kinderbetreuung Tätige ist es oft schwierig, eine Misshandlung eindeutig feststellen zu können. Auch die Bevölkerung müsste besser aufgeklärt sein, um betroffenen Kindern frühzeitig zu helfen und Langzeitschäden zu verhindern oder zumindest zu lindern…

Kindesmisshandlungen führen zu erheblichen unmittelbaren und langfristigen Beeinträchtigungen der physischen und seelischen Gesundheit von Kindern. Deshalb ist es besonders wichtig, sie frühzeitig zu erkennen. Ob ein Kind misshandelt wird, ist selbst für den Kinder- und Jugendarzt oft schwer zu erkennen. Das Thema Kindesmisshandlung kommt bei der Ausbildung von Ärzten nach Ansicht von Dr. Kerstin Porrath, Kinder- und Jugendärztin im Klinikum Links der Weser in Bremen zu kurz. Auch für alle in der Kinderbetreuung tätigen Berufsgruppen stellt die Aufdeckung einer Kindesmisshandlung eine große Herausforderung dar. Viele trauten sich auch bei zweifelhaften Verletzungen nicht, das Jugendamt einzuschalten.

Verletzungsform kann Hinweise geben
„Hat ein Kleinkind zum Beispiel an beiden Füßen und Beinen symmetrische Verbrühungen, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es in kochendes Wasser gehalten wurde“, erklärt Dr. Porrath. Denn bei einem Unfall wären die Verbrühungen eher „tröpfchenartig“ verteilt, weil das Kind sofort seinen Fuß aus dem heißen Wasser ziehen würde. „Ein Kind, das sich versehentlich am Bügeleisen verbrennt, wird auch nie den kompletten Abdruck des Bügeleisens auf dem Arm haben.“ Auch Brüche im ersten Lebenshalbjahr, Verletzungen und Blutergüsse an ungewöhnlichen Stellen können Hinweise sein. Gewaltverursacher kommen in allen Gesellschaftsschichten vor und stammen zu 95% aus dem unmittelbaren familiären Umfeld des Kindes.

Gesicherte Zahlen über die Fälle von Kindesmisshandlung in Deutschland gibt es laut Frau Dr. Porrath nicht. Eine Studie gehe von ein bis zwei Todesfällen pro Woche aus. „Wahrscheinlich sind es aber viel mehr, weil die Dunkelziffer hoch ist.“

Die Gesellschaft müsse verstärkt über Kindesmisshandlung aufgeklärt werden, um mehr Menschen zu sensibilisieren, forderte die Kinder- und Jugendärztin. „Das Thema sollte in der Öffentlichkeit präsenter sein, zum Beispiel durch Plakataktionen.“ Hier sei vor allem das Bundesgesundheitsministerium gefragt.