Viel mehr Menschen als bisher angenommen können sich keine Gesichter merken - allein in Deutschland rund zwei Millionen. Für sie sehen alle Gesichter ähnlich aus, so dass andere Merkmale ihnen bei der Zuordnung helfen müssen. Ursache ist ein Gendefekt. Das haben zweijährige Forschungsarbeiten am Institut für Humangenetik der Universität Münster ergeben.
Bei der Befragung von 500 Kindern stellte sich heraus, dass mindestens 2% an einer so genannten Gesichtsblindheit leiden. Die Stammbäume der betroffenen Familien zeigten Häufungen von Gesichtsblindheit, d. h., die Prosopagnosie ist erblich bedingt. Bisher ist das Phänomen praktisch nur nach Unfällen oder Krankheiten aufgefallen. Deshalb wurde das Verhalten bei Kindern häufig falsch interpretiert: Die Diagnose reichte von Konzentrationsmangel bis hin zum Autismus.
Erwachsenen ist die Gesichtsblindheit vielfach peinlich, weil sie für unhöflich oder vergesslich gehalten werden könnten. Kinder fühlen sich in der Gruppe oft unwohl, da es ihnen schwer fällt, Kontakte zu knüpfen und die anderen Kinder sicher wieder zu erkennen. Es gibt jedoch Strategien, die den Umgang mit der Wiedererkennungsschwäche erleichtern können. Beispielsweise ist es hilfreich, sich die Form des Haaransatzes, der Wimpern und Ohren sowie die Zahnstellung anderer Menschen zu merken. Wichtige Unterscheidungskriterien sind auch Hände und Stimme. Kinder können lernen, mit ihrer Schwäche zu leben und Erzieher und Lehrer können sie dabei unterstützen. Gesichtsblinden Kindern, die ihre Klassenkameraden tagtäglich nicht wiedererkennen, kann z. B. durch im Klassenraum aufgehängte und mit Namen versehene Fotos von allen Mitschülern geholfen werden.
Weitere Informationen zu Prosopagnosie finden Sie unter www.prosopagnosie.de.