Die Zahl der Masernfälle in Bayern ist in der letzten Woche nochmals stark angestiegen. Wie das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) bestätigte, sind seit Oktober mehr als 50 Fälle der hochansteckenden Infektionskrankheit registriert worden. Vor allem München (15 Fälle Stadt München, 9 Fälle Landkreis München) und der Landkreis Bad Tölz (14 Fälle) sind betroffen – hier wurden alleine in der letzten Woche 19 Neuerkrankungen gemeldet. Da im Landkreis Bad Tölz auch sieben Kinder in einer Gemeinschaftseinrichtung an Masern erkrankt sind, befürchten die Behörden eine weitere Ausbreitung. „Die Situation hier ist durchaus Ernst zu nehmen. Die erkrankten Kinder, die alle nicht geimpft waren, verteilen sich über den gesamten Landkreis. Aus Icking, Wolfratshausen, Königsdorf und Kochel wurden Fälle gemeldet. Da die Durchimpfungsraten in unserer Region nicht ausreichend hoch sind, können sich ungeschützte Kontaktpersonen leicht anstecken“, warnt Dr. Franz Hartmann vom Gesundheitsamt in Bad Tölz.
Typisch für Masern sind hohes Fieber, entzündete, lichtempfindliche Augen und der charakteristische Ausschlag, der sich über den gesamten Körper ausbreiten kann. Häufig wird diese Virusinfektion von Lungenentzündungen und anderen schweren Komplikationen begleitet. Die gefährlichste ist die so genannte Masernenzephalitis – eine durch Masernviren ausgelöste Gehirnentzündung –, die auch tödlich verlaufen kann. „Bereits einige Tage vor dem Auftreten der ersten sichtbaren Symptome sind infizierte Menschen ansteckend. Die Viren werden durch Tröpfchen durch die Luft verbreitet oder auch durch einfachen Körperkontakt. Deshalb breiten sich die Masern unter ungeschützten Kindern in einer Gemeinschaftseinrichtung oft epidemieartig aus. Leider wissen viele Eltern nicht, dass Masern potenziell tödlich sein können – und nehmen ohne die schützende Impfung eine Erkrankung in Kauf, die oft mit schweren Komplikationen verläuft“, warnt Dr. Ursel Lindlbauer, Kinder- und Jugendärztin aus München und Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin.
Montessori- und Waldorfeinrichtungen betroffen
Auffällig ist, dass viele der erkrankten Kinder Montessori-Kindergärten und Waldorfschulen besuchen. Offenbar gibt es hier mehr ungeschützte Kinder und Jugendliche als in anderen Gemeinschaftseinrichtungen. „Wir beobachten leider immer wieder, dass es in anthroposophischen Einrichtungen viele Impfskeptiker gibt. Die Entscheidung, sein Kind nicht zu impfen, ist in mehrfacher Hinsicht unverantwortlich. Zum Einen setzt man sein Kind einer großen Gesundheitsgefahr aus – zum Anderen kann jedes infizierte Kind auch andere Kinder anstecken, die sich selbst noch nicht durch eine Impfung schützen konnten. An erster Stelle sind hier Säuglinge und Kinder mit einem geschwächten Immunsystem zu erwähnen. Und genau solche Kinder wurden in Nordrhein-Westfalen zu Todesopfern der Epidemie“, verweist Lindlbauer auf den großen Masernausbruch 2006 in NRW, bei dem es mehr als 1.700 Erkrankungen gab und zwei Kinder ums Leben gekommen sind. „Die Freiheit des Einzelnen hört da auf, wo er andere gesundheitlich gefährdet. Das ist beim Rauchen auch nicht anders als bei Infektionskrankheiten, die durch die Luft übertragen werden und vor denen man die Gemeinschaft durch eine Impfung schützen kann. Insofern fordern wir Kinder- und Jugendärzte seit langem, dass der Besuch einer Gemeinschaftseinrichtung nur mit vollständigem Impfstatus erlaubt sein sollte. Damit würde man sich zukünftig auch aufwändige Impfaktionen sparen, wie sie die Landesregierung in NRW jetzt durchführt. Nur bei Kleinkindern ist es möglich, die notwendigen Durchimpfungsraten zu erzielen, um diese furchtbare Krankheit in Deutschland – wie von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gefordert - auszurotten. Es wird höchste Zeit, dass die Politik hier endlich handelt“, mahnt Lindlbauer.
Die Ständige Impfkommission empfiehlt die zweimalige Impfung gegen Masern. Die neue Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschuss (GemBA) sieht den Einsatz einer Kombinationsimpfung gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken vor, die Kinder ab dem 11. Lebensmonat im Abstand von vier Wochen bekommen sollten.