Die auf dem European Emergency Medicine Congress vorgestellten Daten zeigten, dass rezeptfreie Antihistaminika, verschreibungspflichtige Antidepressiva und Schmerzmittel sowie illegale synthetische Cannabinoide am häufigsten versehentlich von Kindern eingenommen wurden und Krampfanfälle auslösten.
„Krampfanfälle gehören zu den schwerwiegenden Folgen einer Medikamentenvergiftung. Kinder sind besonders gefährdet. Abhängig von Faktoren wie dem Ort des Anfalls, seiner Dauer und dem Gesundheitszustand des Kindes können Anfälle zu langfristigen Schäden oder sogar zum Tod führen“, so Dr. Conner McDonald, University of Virginia School of Medicine.
In Zusammenarbeit mit Professor Christopher Holstege, Leiter der Abteilung für medizinische Toxikologie an der University of Virginia School of Medicine, und Kolleg*innen sammelte Dr. Rita Farah Daten aus dem US-amerikanischen National Poison Data System über Anfälle bei Kindern und Jugendlichen (unter 20 Jahren), die zwischen dem 1. Januar 2009 und dem 31. Dezember 2023 durch Einnahme einer Substanz verursacht wurden.
Das National Poison Data System führt Informationen von den 55 Giftnotrufzentralen in den USA zusammen. Diese Zentren werden bei den schwerwiegendsten Vergiftungsfällen konsultiert, darunter auch Vergiftungen bei Kindern, die zu einem Krampfanfall führen.
Eine jährliche Steigerung um fünf Prozent
Die Forscher*innen werteten die Daten entsprechend dem Alter der Kinder und der von ihnen konsumierten Substanz aus. Insgesamt stellten sie fest, dass die Fälle 2009 bis 2023 von 1.418 auf 2.749 gestiegen waren, was einem durchschnittlichen jährlichen Anstieg von 5% entspricht.
Bei Kindern im Alter zwischen sechs und 19 Jahren hat sich die Zahl der Fälle innerhalb von 15 Jahren verdoppelt. Bei Kindern unter sechs Jahren gab es im Laufe des 15-Jahres-Zeitraums einen Anstieg der Fälle um 45%.
Die Substanzen, die für den größten Teil dieses Anstiegs verantwortlich sind, umfassen Diphenhydramin (ein rezeptfreies Antihistaminikum, das häufig bei Allergien, Heuschnupfen und verstopfter Nase verwendet wird), Tramadol (ein Opioid, das gegen Schmerzen bei Erwachsenen verschrieben wird), Bupropion (ein Antidepressivum, das für Erwachsene und Kinder verschrieben wird) und synthetische Cannabinoide, bekannt als K2 oder Spice (illegale Substanzen, die künstlich hergestellt werden und chemisch den in der Cannabispflanze vorkommenden Substanzen ähneln).
Dr. McDonald erklärte: „Diphenhydramin kann in den USA in Flaschen mit 500 oder 600 Tabletten gekauft werden. Bupropion wird immer häufiger zur Behandlung von Depressionen bei Erwachsenen und Kindern verschrieben. Andere legale und illegale Medikamente können online gekauft und weltweit verschickt werden. Daher sind diese Medikamente immer häufiger in Privathaushalten erhältlich und gelangen in Reichweite von Kindern.“
In seiner Rede vor dem Kongress sagte Professor Holstege: „Die Zunahme von Krampfanfällen bei Kindern, die diesen Medikamenten ausgesetzt waren, ist äußerst besorgniserregend und muss angegangen werden. Deshalb die eindringliche Mahnung an Eltern und Betreuer*innen, Medikamente sicher aufzubewahren, damit Kinder nicht an sie herankommen.“
„In den USA müssen wir auch ernsthaft darüber diskutieren, ob Produkte wie Diphenhydramin in Behältern mit so großen Mengen an Tabletten verkauft werden sollten und ob diese Produkte in Blisterpackungen verpackt werden sollten, um es Kindern und selbstmordgefährdeten Personen zu erschweren, an so große Mengen zu gelangen.“
Medikamente gehören weltweit zu den häufigsten Vergiftungsursachen bei Kindern
Dr. Barbra Backus ist Vorsitzende des EUSEM-Abstract-Auswahlausschusses. Sie ist Notärztin in Rotterdam, Niederlande, und war nicht an der Forschung beteiligt. Sie sagte: „Die Zunahme von Medikamentenvergiftungen bei Kindern ist besorgniserregend. Obwohl diese Daten für die USA gelten, wissen wir, dass Medikamente weltweit zu den häufigsten Vergiftungsursachen bei Kindern gehören. Es ist wichtig, dass wir weiterhin nach einer sichereren Verteilung und Lagerung von Medikamenten suchen. Blisterpackungen und kindersichere Medikamentenfläschchen können hilfreich sein, aber alle Medikamente bzw. Substanzen, egal ob rezeptfrei, verschreibungspflichtig oder illegal, sollten außerhalb der Reichweite von Kindern aufbewahrt oder weggeschlossen werden, sodass sie nicht zugänglich sind.“
Quellen: New-Medical.net, European Society for Emergency Medicine (1, 2)