Diplom-Mediziner Detlef Reichel erklärt: „Aus psychologischer Sicht und Sicht der Sozialisationsforschung ist Geschwisterstreit ein völlig normales Verhalten. Geschwister bilden die erste soziale Gruppe und lernen in ihren Auseinandersetzungen, ihre Gefühle auszudrücken. Sie erwerben soziale Kompetenzen, üben Durchsetzungsfähigkeit und Frustrationstoleranz und lernen so auch die Fähigkeit zur Empathie anderen gegenüber.
Wenn Rivalität zwischen Geschwistern allerdings in Hass, Neid und Missgunst umschlägt und so auch im weiteren Leben Einfluss auf die psychische Gesundheit der Betroffenen nehmen kann, sollten Eltern eingreifen. Zunächst gilt es, sich näher mit den Ursachen zu beschäftigen:
Als gesichert gilt, dass neben der Geburtsposition (Erst- Zweit- oder Drittgeborenes) der Geburtenabstand und das Geschlecht bzw. die Geschlechterkonstellation der Geschwister Einfluss auf das Zusammenleben und mögliche Konflikte haben. So stellt die Geburt eines zweiten Kindes für das Erstgeborene immer eine einschneidende Veränderung dar. Stand es bisher immer im Mittelpunkt, muss es jetzt lernen, Aufmerksamkeit, Liebe und Spielsachen zu teilen.
Kulturelle Normen und Regeln bestimmen ebenfalls, welche inner- und außerfamiliäre Erfahrungen Geschwister gemeinsam machen können und ob sich ein fürsorglich-hilfsbereiter Umgang miteinander entwickelt oder überstarke Rivalität, Aggressionen und distanziert-abweisende Verhaltensweisen das Miteinander bzw. Gegeneinander von Geschwistern bestimmen.
Eltern können einiges tun, um ihren Kindern ein friedlicheres Miteinander zu ermöglichen:
- Planen Sie so viel Familienzeit miteinander wie möglich.
- Sorgen Sie für klare Regeln und Rituale im Zusammenleben und Streitmanagement.
- Ziehen Sie keine Vergleiche zwischen den Geschwistern. Jedes Kind ist einzigartig mit seiner Persönlichkeit, seinen Fähigkeiten, Stärken und Schwächen.
Suchen Sie immer das Gespräch mit Ihren Kindern. Unterstützen Sie sie in der Konfliktbewältigung mit Kompromissvorschlägen, Ausgleich und Trost. Und wenn der tägliche Streit immer unerbittlicher und gewaltsamer ausgetragen wird und Sie das Gefühl haben, dass es Ihnen über den Kopf wächst – suchen Sie sich professionelle Hilfe, zum Beispiel in den Familienberatungsstellen, bei Kinder- und Jugendpsychotherapeut*innen oder beim Jugendamt.
Als Eltern tragen wir auch in dieser Frage ein hohes Maß an Verantwortung unseren Kindern gegenüber. Einfühlsamkeit und liebevolles, konsequentes Handeln helfen, das Risiko etwaiger psychischer Belastungen oder gar Erkrankungen im späteren Erwachsenenalter infolge nichtbewältigter Geschwisterkonflikte zu minimieren.“
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