Kinder mit ausländischen Wurzeln leiden doppelt so oft unter Essstörungen wie ihre deutschen Altersgenossen. „Als möglicher Grund hierfür kann eine Überidentifikation mit westlichen Normen und Werten sowie Anpassungsstress vermutet werden“, sagte die hannoversche Therapeutin Kathrin Beyer. Grundlage sei eine bundesweite Studie des Robert-Koch-Instituts an der sich 17.641 Kinder und Jugendliche beteiligt hatten. Für Migrantenkinder gestalte sich demnach der Alltag oft schwieriger. Sie sind stärker geprägt von traditionellen Familienmustern wollen aber auch modern leben.
“In Migrantenfamilien herrschen andere Rollenmuster. Gleichzeitig wollen sich junge Migranten unseren Wertvorstellungen anpassen. Sie sitzen zwischen zwei Stühlen“, erklärte die Therapeutin für Essstörungen. Häufig würden sie sich unter Druck setzen, um mit ihren Altersgenossen mitzuhalten. Klappe dies nicht, fingen sie an zu hungern, betonte Beyer am Rande der Fachtagung „Essstörungen - zu dick oder zu dünn“ in Hannover.
Gestörtes Essverhalten sowie die abnorme Beschäftigung mit Figur und Gewicht werden als Vorformen von Essstörungen bezeichnet. „Mehr als ein Fünftel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland im Alter von elf bis 17 Jahren zeigen Symptome einer Essstörung“, erläuterte die Expertin.
Bei allen Arten von Essstörungen sind nach Angaben der Diplom-Sozialwissenschaftlerin Ernährungsratschläge zunächst wenig hilfreich. An die Empfehlungen der Fachleute oder des Arztes halten sich die Betroffenen selten. Hinter dem gestörten Essverhalten liegen Konflikte wie Angst oder Probleme mit der Familie. „Die gilt es in Beratungen zu lösen, damit ein normales Essverhalten im Rahmen einer Ernährungstherapie wieder erlernt werden kann.“