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Natürlich gesund: Wie gut kennen sich Jugendliche mit Lebensmitteln aus?

Für die Wahrnehmung von Lebensmitteln und die Beurteilung ihrer Gesundheit spielt eine zentrale Rolle, wie „natürlich“ sie sind. Nicht nur Lebensmittelexpert*innen, sondern bereits Jugendliche und junge Erwachsene achten sehr auf Natürlichkeit. Allerdings gibt es bei Jugendlichen erhebliche individuelle Unterschiede in der Beurteilung von Lebensmitteln. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung und der Universität Aarhus, die in der Fachzeitschrift Journal of Experimental Psychology: Applied erschienen ist.

In modernen Supermärkten müssen wir sehr viele Entscheidungen treffen. In einer durchschnittlichen Filiale in Deutschland werden über 10.000 Produkte angeboten. Selbst innerhalb einer Produktkategorie ist die Auswahl enorm: Beispielsweise können wir uns in der Regel zwischen rund 400 verschiedenen Wurst- und Fleischprodukten sowie 200 Brotartikeln entscheiden. Zur effektiven Orientierung in einer solchen alltäglichen, komplexen Umgebung ist eine gute Intuition gefragt. Frühere Studien haben gezeigt, dass Kinder noch eine recht undifferenzierte Wahrnehmung von der Qualität und Gesundheit einzelner Lebensmittel haben. Aber wie ist es bei Jugendlichen, die bereits häufig selbst und mit eigenem Taschengeld Lebensmitteleinkäufe tätigen?

Die Forscher*innen verglichen die Lebensmittelwahrnehmung von 36 Jugendlichen im Alter zwischen 13 und 16 Jahren mit denen von 68 Lebensmittelexpert*innen (z.B. Ernährungsberater*innen und Studierende der Ernährungswissenschaften). Eine dritte Gruppe bestand aus jungen Erwachsenen mit einem Durchschnittsalter von 30 Jahren. Allen Teilnehmenden wurden zunächst Bilder von 43 alltäglichen Lebensmittelprodukten gezeigt. Sie sollten dann jedes der Produkte hinsichtlich 17 Merkmale einschätzen – wie deren Gehalt an Fett, Zucker oder Proteinen, wie sehr das Produkt verarbeitet ist, ob es regionalen Ursprungs und wie aufwändig es verpackt ist. Zudem sollten die Teilnehmenden angeben, für wie „gesund“ sie jedes der Lebensmittel hielten.

Jugendliche orientieren sich häufig an „Natürlichkeit“ und Geschmack „süß oder salzig“ und vernachlässigen dabei anderen Faktoren

Anhand von Mustern in den Merkmalseinschätzungen identifizierten die Forscher*innen dann Dimensionen, die der Wahrnehmung der Lebensmittel zugrunde lagen. Dabei zeigten sich wichtige Gemeinsamkeiten in den Urteilen der Jugendlichen und der Expert*innen. „Für alle Gruppen war ein zentraler Faktor bei der Wahrnehmung der Lebensmittel, wie natürlich sie sind. Lebensmittel, die wenig verpackt waren, wenig Zusatzstoffe enthielten und kaum verarbeitet waren, wurden als ähnlich und zusammengehörig wahrgenommen“ sagt Thorsten Pachur, Forschungsgruppenleiter im Forschungsbereich Adaptive Rationalität am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung und Leiter der Studie. „Die Natürlichkeit war zudem zentral bei der Beurteilung, wie gesund die Lebensmittel sind. Je höher die Ausprägung auf der Natürlichkeitsdimension, desto gesünder wurde ein Lebensmittel eingestuft.“ Diese einfache Regel bei der Beurteilung der Gesundheit zeigte sich nicht nur bei den Jugendlichen und den jungen Erwachsenen – auch die Ernährungsexpert*innen schienen ihr zu folgen. Insgesamt wiesen die Gesundheitseinschätzungen der drei Gruppen viele Ähnlichkeiten auf. Äpfel, Wasser, Bananen und Milch wurden als sehr gesund wahrgenommen, sonnengetrocknete Tomaten und Müsliriegel lagen im mittleren Bereich und für Schokoladenriegel und Kekse gab es niedrige Gesundheitswerte.

Neben diesen Parallelen zeigten sich auch einige interessante Diskrepanzen zwischen den Teilnehmergruppen. Einzelne Lebensmittel wie Orangensaft oder Fischstäbchen wurden von den Jugendlichen deutlich gesünder eingeschätzt als von den Expert*innen. Möglicherweise orientierten sich die Jugendlichen hier am Gesundheitswert von Orangen und Fisch. Orangensaft enthält jedoch recht viel Zucker und bei Fischstäbchen steht die fettige und kalorienreiche Panade dem gesunden Gehalt an Mineralstoffen und Omega-3 Fettsäuren des Fischs entgegen. Das scheint aber nur den Expert*innen bekannt zu sein. Des Weiteren schienen die Jugendlichen für die mentale Einordnung der Lebensmittel neben der Natürlichkeit auch eine süß vs. salzig-Achse –also eine einfache Geschmackskomponente – zu verwenden. Bei den anderen Teilnehmergruppen war die Wahrnehmung ausschließlich durch Inhaltsstoffe – insbesondere Cholesterin, Fett und Protein – strukturiert. Die Geschmacksachse verwendeten die Jugendlichen auch zur Beurteilung der Lebensmittelgesundheit, wobei süße Lebensmittel als weniger gesund eingestuft wurden als salzige.

Jugendliche sind unterschiedlich gut informiert

Ein anderer wichtiger Unterschied zwischen den Jugendlichen und den anderen Studienteilnehmenden bestand hinsichtlich der Streuung der Antworten. Während sich die Expert*innen in der Beurteilung der Lebensmittel meist recht einig waren, gab es bei den Jugendlichen eine erhebliche Streuung. Dies deutet darauf hin, dass ein Teil der Jugendlichen eher uninformiert war und bei einigen Antworten raten musste. So wurden beispielweise die Lebensmittel Lachs und Ketchup oder allgemein der Gehalt an „guten“ Fetten, Ballaststoffen oder Cholesterin sehr unterschiedlich eingeschätzt.

Die Ergebnisse zeigen, dass in der komplexen Lebensmittellandschaft Aspekte der Natürlichkeit modernen Konsument*innen eine wichtige Orientierungshilfe bieten und zur intuitiven Einschätzung herangezogen werden, wie „gesund“ ein Lebensmittel ist. Über diese Intuition verfügen bereits Jugendliche, und – da auch die Expert*innen sie verwendeten – scheint die Natürlichkeit von Lebensmitteln in der Tat effektive Hinweise zur Identifikation von gesunden Lebensmitteln zu geben. Trotzdem deuten die Ergebnisse auch darauf hin, dass Jugendliche ihr Wissen über die Inhaltsstoffe von Lebensmitteln noch weiter schulen bzw. schulen lassen sollten. Und das würde sich lohnen. Ergebnisse anderer Studien zeigen, dass besseres Wissen über Lebensmittel mit gesünderen Konsumentscheidungen zusammenhängt. Der Grundstein für eine gute Lebensmittelintuition scheint jedoch oft gelegt.
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(Elena Hungerland, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Max-Planck-Institut für Bildungsforschung)
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