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Negativ-Berichte über Anästhesien bei Säuglingen und Kleinkindern verunsichern Eltern

Operationen unter Vollnarkose sind bei Säuglingen und Kleinkindern mitunter unvermeidlich. Die Deutsche Gesellschaft für Kinderchirurgie (DGKCH) bedauert deshalb Medienberichte, wonach eine Allgemeinanästhesie bei Säuglingen und Kleinkindern zu einer lebenslangen Beeinträchtigung des Gedächtnisses führen könne.

Solche wissenschaftlich derzeit nicht haltbaren Aussagen verunsicherten Eltern betroffener Kinder und schadeten den kleinen Patienten, kritisiert die DGKCH. Stattdessen sollten Ärzte Eltern beraten und vermitteln, dass notwendige Operationen rechtzeitig stattfinden.

Die Berichte beruhen auf einer kürzlich im Fachblatt <link http: www.nature.com npp journal vaop ncurrent abs npp2014134a.html _blank external-link-new-window external link in new>„Neuropsychopharmacology“ veröffentlichten Studie von US-Forschern um Greg Stratmann. Sie verglichen die Gedächtnisleistung von 28 Kindern im Alter zwischen sechs und elf Jahren, die sich aufgrund einer Operation im ersten Lebensjahr einer Allgemeinanästhesie – umgangssprachlich Vollnarkose genannt – unterzogen hatten. Ihre Gedächtnisleistung war um etwa 25% verringert gegenüber Gleichaltrigen ohne Anästhesieerfahrung. Die Untersuchung schließt an frühere experimentelle Studien mit Tieren an. Danach können Anästhetika und Sedativa die Entwicklung des noch unreifen Gehirns negativ beeinflussen. Inwieweit sich dies auf Menschen übertragen lässt, ist umstritten. Gegenwärtig vorliegende wissenschaftliche Erkenntnisse als Argument gegen eine begründete Operation, etwa in den ersten beiden Lebensjahren, zu verwenden, sei verantwortungslos, meint Dr. med. Tobias Schuster, Sprecher DGKCH. „Es besteht Konsens, dass wir Kinder nur operieren, wenn es medizinisch geboten ist“, so der der Chefarzt der Kinderchirurgie am Klinikum Augsburg. Das bevorzugte OP-Alter richte sich nach dem Krankheitsbild, wichtige Erkenntnisse, etwa über den OP-Zeitpunkt bei Harnröhrenverkürzung, dürften jetzt nicht einfach über Bord geschmissen werden, so Schuster.

Eine noch unveröffentlichte prospektive Studie <link http: gnpi2014.de files abstractband_gnpi2014-neu.pdf _blank external-link-new-window external link in new>(Abstractband: 40. Jahrestagung der Gesellschaft für Neonatologie und Pädiatrische Intensivmedizin 26. – 28. Juni 2014 World Conference Center Bonn, S. 39 f.) von Medizinern um <link file:3094 download file>Antje Allendorf, Oberärztin für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Frankfurt/Main stützt diese Einschätzung: Sie untersuchten in Kooperation mit der Kinderchirurgie unter Leitung von Professor Udo Rolle 40 Patienten mit angeborenen Fehlbildungen im Magen-Darm-Bereich, die als Neugeborene operiert und anästhesiert worden waren und 40 Kinder einer Kontrollgruppe, die nicht operiert wurden. Im Alter von zwei Jahren wiesen die kleinen Patienten keinen allgemeinen Rückstand in der motorischen und kognitiven Entwicklung auf.

Schuster rät Eltern davon ab, aus Bedenken oder Angst vor möglichen Folgen der Anästhesie medizinisch notwendige Operationen bei ihren Kindern zu verschieben. Denn Eingriffe unter Vollnarkose werden auch bei kleinen Kindern keineswegs nur in Notfällen durchgeführt. Auch um Entwicklungsstörungen eines Organs, einer Organfunktion oder etwa drohende Infektionen zu verhindern, ist eine rechtzeitige Operation entscheidend. Als Beispiel nennt der Facharzt eine OP bei Harnleiterabgangsenge zur Rettung der Nieren oder bei Hodenhochstand zur Erhaltung der Fruchtbarkeit. „Eine solche Operation hinauszuzögern ist nicht gerechtfertigt.“

Mehrere Forschergruppen widmen sicher derzeit dem Thema, insbesondere in den USA. Hier flossen im Jahr 2012 bereits 24 Millionen Dollar in entsprechende Studien. Als begrenzt bewertet die Aussagekraft der Rückschau von Stratmann und Co. jedoch auch Dr. med. Karin Becke, Chefärztin der Abteilung für Anästhesie an der Cnopf´schen Kinderklinik in Nürnberg. Die Sprecherin des Wissenschaftlichen Arbeitskreises Kinderanästhesie der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI) verweist unter anderem auf die geringe Zahl der Probanden, wechselnde Anästhesieverfahren sowie Grunderkrankungen, die bereits mit kognitiven Funktionseinschränkungen einhergehen können.

Erfahrene Kinderanästhesisten und der Einsatz von Anästhesietechniken, bei denen Regional- und Lokalverfahren sowie Analgetika und Anästhetika kombiniert werden, verringern ein potentielles Risiko, wie Schuster und Becke betonen: „Es gibt bislang keine Evidenz, dass die Medikamente per se für Neugeborene, Säuglinge oder Kleinkinder mit einem erhöhten Risiko späterer neurokognitiver Defizite einhergehen“, betont Schuster.

Quelle: <link http: idw-online.de de news597274 _blank external-link-new-window external link in new>idw, <link http: www.dgkch.de _blank external-link-new-window external link in new>DGKCH, Medizin - Kommunikation Medizinkommunikation, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften