„Diesen speziellen Bakterienstamm haben wir bisher noch nicht gesehen. Er scheint sich aus Stämmen derselben Familie entwickelt zu haben“, erklärtete Dr. Shiranee Sriskandan, Professorin für Infektionskrankheiten am Imperial College London, gegenüber „Infectious Disease in Children“. "Es ist bekannt, dass sich Bakterien wie Streptokokken A weiterentwickeln, aber wir wissen noch nicht genau, wie. Diese "Familie" von Streptokokken-A-Stämmen - M1 - gibt es sicherlich schon eine Weile, sie war lange nicht mehr die häufigste Ursache für Scharlach. Streptokokken-A-Infektionen können viele Krankheiten verursachen, einschließlich Halsschmerzen, Hautinfektionen und die viel selteneren invasiven Infektionen.“
Ein Anstieg der Erkrankungszahlen in England
Laut Sriskandan produziert der spezifische Stamm größeren Mengen giftiger Stoffwechselprodukte (Scharlach-Toxin) bekannt als SpeA. Kinder mit einer Halsinfektion könnten daher eher Scharlach entwickeln.
Eine frühere Studie, die in „The Lancet Infectious Diseases“ veröffentlicht wurde, ergab, dass Scharlach 2014 in England zu steigen begann. Während dieser Zeit waren infizierte Patienten durchschnittlich 4 Jahre alt. Pro 100.000 Kindern unter 10 Jahren infizierten sich etwa 186 Kinder mit Scharlach.
Sriskandan und Kollegen stellten fest, dass der neue nicht-invasive Stamm während des Untersuchungszeitraums im Nordwesten Londons von 5% im Jahr 2014 auf 19% im Jahr 2015 und auf 33% im Jahr 2016 stieg. eine Zunahme der Infektionen wurde insbesondere in den Monaten zwischen März und Mai beobachtet.
Ähnliche Häufúngen bei invasiven Isolaten des neuen Stammes wurden im selben Zeitraum auf nationaler Ebene beobachtet, und zwar von 31% im Jahr 2015 auf 42% im Jahr 2016. "Glücklicherweise zeigt der neue Streptokokken-A-Stamm, wie die meisten Streptokokken-A-Stämme, keine Resistenz gegen Antibiotika", so Sriskandan. „Daher können Infektionen, die durch diesen Stamm verursacht werden, mit geeigneten Antibiotika behandelt werden. Die Ergebnisse legen jedoch nahe, dass Ärzte wachsam sein sollten, wenn sie Patienten mit Verdacht auf Scharlach oder anderen Streptokokken-A-Infektionen behandeln, da wir nicht wissen, ob der neue Stamm mit größerer Wahrscheinlichkeit Ausbrüche hervorruft.“
Vermutlich auch andere Länder betroffen
Die Forscher stellten fest, dass dieser neue Stamm 84% aller 2016 in England identifizierten Fälle ausmachte. Einzelisolate wurden jedoch nach Angaben der Forscher sowohl in Dänemark als auch in den USA identifiziert.
Dr. Stephan Brouwer, PhD, MS, ein Postdoktorand an der University of Queensland in Australien, und seine Kollegen erklärten in einem Leitartikel, die Ergebnisse seien von besonderer Bedeutung, da die Berichte über Scharlach in Großbritannien weiter zunehmen. Es gäbe eine Verdoppelung der Fälle im Jahr 2018 im Vergleich zum Beginn des Ausbruchs im Jahr 2014.
Weitere Ausbrüche wurden in China und Hongkong dokumentiert, wo seit 2011 ungefähr 500.000 Fälle gemeldet wurden.
"Die anhaltende Zunahme von Meldungen über Scharlach und invasive Krankheiten in Großbritannien zeigt, wie wichtig es ist, globale Überwachungssysteme zu installieren und die zunehmende Aktivität von Streptokokken der Gruppe A als Priorität für die öffentliche Gesundheit anzugehen", schrieben die Wissenschaftler.
"Der Bericht von [Sriskandan] und Kollegen ist eine ernst zu nehmende Warnung für die Gesundheit auf der ganzen Welt: Kürzlich aufkommende Scharlach-Streptokokkenstämme der Gruppe A haben das invasive Potenzial erhöht, was tiefgreifende Auswirkungen auf die künftige globale Gesundheitsbelastung haben könnte."
Prof. Dr. Sriskandan erklärte, dass es "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" möglich sei, dass dieser Stamm in anderen Ländern vorkommt. Der Mangel an Überwachungsdaten aus einer Vielzahl von Ländern macht es jedoch schwierig zu wissen, woher dieser Stamm stammt und ob er sich an anderer Stelle ausbreitet.
Weltweit fehlen noch verlässliche Daten
"Die medizinischen Richtlinien und die Meldepflichten variieren auf der ganzen Welt, aber die Erfassung von Fällen und die Sammlung von Stämmen sowohl von häufigen Halsinfektionen als auch von schwerwiegenderen Infektionen ist der einzige mögliche Hinweis darauf, ob dieser neue Stamm im Laufe der Zeit dominant bleibt oder zurückgeht", erklärte sie. "Dies könnte öffentlichen Gesundheitseinrichtungen helfen, bei Bedarf Empfehlungen zu Diagnose- und Behandlungsrichtlinien zu veröffentlichen."
Die CDC hat derzeit Scharlach nicht in ihre Liste der meldepflichtigen Krankheiten in den Vereinigten Staaten aufgenommen. In Deutschland besteht ebenso keine bundesweite Meldepflicht.
Trügerisch: In der Vergangenheit trat Scharlachausschlag immer seltener auf und Krankheitsverlauf wurde milder
"Streptokokken der Gruppe A lösten vor 50 bis 70 Jahren noch sehr häufig Infektionen in den USA aus", verdeutlichte Dr. William Schaffner, Professor für Präventivmedizin am Vanderbilt University Medical Center. „Außerdem war es eine schwerere Infektion. Das änderte schließlich.“
Er sagte, dass das Bakterium mutiert sei und die meisten Stämme im Land ihre Fähigkeit verloren hätten, den typischen Ausschlag einer Scharlach-Infektion auszulösen. Selbst wenn nun ein Ausschlag vorliege, sei die Krankheit weitaus weniger schwerwiegend als früher.
„Es ist klar, dass die Streptokokken der Gruppe A sich verändert haben, und ich denke, aus diesen beiden Gründen - der allgemeinen Verringerung der Fälle und der nicht länger schwerwiegenden Art der Infektion - war die öffentliche Gesundheit der Ansicht, dass dies nicht notwendigerweise eine meldepflichtige Krankheit sei“, verdeutlichte er.
Schaffner erklärte, dass die USA anstelle von Scharlach mehr invasive Streptokokkeninfektionen wie nekrotisierende Fasziitis (heftige Infektion des Gewebes, der Unterhaut), toxisches Schock-Syndrom (Streptococcal Toxic Shock Syndrome) und Bakteriämie (Einschwemmung von Bakterien in den Blutkreislauf) im Blick hätten.
Er machte aber darauf aufmerksam, dass - wenn der neue Stamm in den USA [und weltweit] mehr Krankheiten verursachen würde - Aufklärungsprogramme erforderlich wären, um Kinder- und Jugendärzte, Internisten und Ärzte in den Notaufnahmen über die Infektion zu informieren, wie sie sich darstellt und wie sie angemessen zu behandeln ist.
"Viele der jüngeren Generation haben noch nie einen Fall von Scharlach gesehen, daher müssen sie darüber informiert werden, wie sie die Erkrankung erkennen können und wie die Patienten am besten behandelt werden", betonte er. Er hätte nicht gedacht, dass Scharlach wieder zu einem Gesprächsthema werden könne – aber nun trete die Krankheit wieder verstärkt auf.
Quellen: <link https: www.healio.com pediatrics bacterial-infections news online _blank external-link-new-window external link in new>Healio, Lancet Infect. Dis. (<link https: www.thelancet.com journals laninf article fulltext _blank external-link-new-window external link in new>1, <link https: www.thelancet.com journals laninf article _blank external-link-new-window external link in new>2, <link https: www.kinderaerzte-im-netz.de http: _blank external-link-new-window>3)