Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) in Nordrhein-Westfalen (NRW) sieht die bisherige Gesundheitsversorgung für Kinder und Jugendliche im bevölkerungsreichsten Bundesland Deutschlands in Gefahr. Hintergrund ist das laufende Schiedsverfahren zur hausärztlichen Versorgung in NRW, nach der zukünftig Kinder bereits nach der Geburt in so genannte Hausarztverträge bei Allgemeinmedizinern eingeschrieben werden könnten. „Dieses Schiedsverfahren findet ohne die Beteiligung von Kinder- und Jugendärzten statt, obwohl es dabei auch um unsere Patienten geht. Neun von zehn Kindern bis zum Alter von 6 Jahren werden von niedergelassenen Pädiatern versorgt. Und selbst bei der Jugendvorsorge J1, die im Alter von 12 bis 14 Jahren durchgeführt wird, sind noch immer mehr als 60% beim dafür besonders qualifizierten Kinder- und Jugendarzt, und eben nicht beim Allgemeinarzt. Jetzt sollen die Weichen dafür gestellt werden, dass die Altersgruppe von 0 bis 18 Jahren in Hausarztverträge der Allgemeinärzte eingeschrieben werden kann – und das geschieht alles ohne Beteiligung derjenigen Ärzte, die diese Altersgruppe fast ausschließlich versorgt. Das ist nicht nur ein Skandal – es bedroht auch die Zukunft der Kinder- und Jugendmedizin in Nordrhein-Westfalen“, kritisiert Dr. med. Burkhard Lawrenz, der Landesverbandsvorsitzende des BVKJ in Westfalen-Lippe. „Hausarztverträge, die die großen Unterschiede bei der gesundheitlichen Betreuung von Kindern und Jugendlichen oder Erwachsenen nicht abbilden, sind heute nicht mehr zeitgemäß und berücksichtigen nicht die notwendigen Verbesserungen in den Versorgungskonzepten, die ursprünglich einmal der Grund für diese Verträge waren. Darüber hinaus können sie die Kassen doppelte Betreuungsgebühren für die Altersgruppe bis 18 Jahre kosten“, ergänzt sein Kollege Dr. Thomas Fischbach, Landesvorsitzender des BVKJ in Nordrhein.
Verband fordert Altersgrenze bei Hausarztverträgen für Erwachsene
Sollte das Schiedsverfahren zwischen den Krankenkassen und dem Vertragspartner auf Hausärztseite in NRW unter der Leitung des Schlichters Gerald Weiss, der auch Mitglied des Bundestages war, zukünftig die Einschreibung von Kindern in Hausarztverträge für Erwachsene zulassen, dann wird dies nach Ansicht der Pädiater auch deutlich höhere Kosten für die Krankenkassen nach sich ziehen. „Die Erfahrung aus anderen Bundesländern zeigt, dass Allgemeinärzte auch dann Eltern mit ihren Kindern zur Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung überreden, wenn sie gar keine Kinder behandeln. Dies geschieht vor allem aus monetären Gründen, denn jeder teilnehmende Patient bringt auch zusätzliches Geld. In der Realität werden aber auch eingeschriebene Kinder fast immer beim Kinder- und Jugendarzt weiterbehandelt. Für die beteiligten Krankenkassen bedeutet diese Doppelversorgung höhere Kosten – und das ist einer der Gründe, warum auch viele Krankenkassen Altersgrenzen bei Hausarztverträgen der Allgemeinmediziner fordern“, so Lawrenz weiter. Um eine qualifizierte pädiatrische Versorgung der etwa 150.000 Kinder, die jedes Jahr in Nordrhein-Westfalen geboren werden, auch für die Zukunft sicherzustellen, fordert der BVKJ eigenständige Versorgungsverträge für Kinder und Jugendliche. „Die gesundheitliche Entwicklung der nächsten Generationen hat sich in den vergangenen Jahren dramatisch gewandelt. Übergewicht, Leistungsstörungen, Schulprobleme, Aufmerksamkeitsdefizite, Probleme im Umgang mit Medien oder auch seelische Fehlentwicklungen - das sind die neuen Krankheitsbilder, die wir häufig in unseren Praxen sehen. Wir sind die Hausärzte der Kinder und für diese Herausforderungen besonders ausgebildet. Und genau deshalb benötigen unsere Patienten eigene Versorgungsverträge, die auch die notwendigen zusätzlichen medizinischen Maßnahmen für die Altersgruppen von 0 bis 18 Jahren über die Regelversorgung hinaus abbilden - und natürlich auch die Qualifikation der daran teilnehmenden Ärzte“, verweist Fischbach auf bereits existierende hausärztliche Verträge für Pädiater z.B. in Bayern.