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Psychische Erkrankung bei Eltern stellt besondere Anforderungen

Zurückhaltend geschätzt, haben rund 1,6 Millionen Minderjährige in Deutschland mindestens einen Elternteil, der psychisch erkrankt ist. Für psychisch kranke Menschen kann die Elternschaft eine besondere Herausforderung darstellen. Neben den typischen physischen Stressoren wie einem Schlafdefizit und körperlicher Erschöpfung sind die Eltern auch für das Leben und Gedeihen ihres Kindes verantwortlich …

Für psychisch kranke Menschen kann die Elternschaft eine besondere Herausforderung darstellen. Neben den typischen physischen Stressoren wie einem Schlafdefizit und körperlicher Erschöpfung sind die Eltern nun für das Leben und Gedeihen ihres Kindes verantwortlich und müssen sich darüber hinaus mit den eigenen Erwartungen und Rollenbildern auseinandersetzen. Damit können Belastungen verbunden sein, die auch zu einer psychischen Dekompensation auf Seiten von Vater und Mutter führen können. Zudem sind die Kinder dieser Eltern spezifischen Belastungsfaktoren ausgesetzt. Bedingt durch genetische Risikofaktoren haben diese Kinder selbst ein erhöhtes psychiatrisches Erkrankungsrisiko. Darüber hinaus können auch Umweltfaktoren, wie das durch die elterliche Erkrankung beeinträchtigte Erziehungsverhalten, zu einem erhöhten Risiko für eine psychische Erkrankung von diesen Kindern beitragen. Eine Vielzahl weiterer psychosozialer Belastungsfaktoren kann ebenfalls einen Risikofaktor für Beeinträchtigungen der kindlichen Entwicklung darstellen.

Neben einer fachspezifischen Behandlung der elterlichen Erkrankung können geeignete Präventionskonzepte für Kinder psychisch kranker Eltern dazu beitragen, das kindliche Erkrankungsrisiko zu senken.

Eltern und Kinder brauchen besondere Unterstützung„Zuerst geht es darum, die Erkrankung der Eltern zu behandeln und frühzeitig einzugreifen“, sagt Prof. Anette Kersting, von der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Uni Münster. „Psychisch kranke Eltern sind keine schlechteren Eltern, aber sie benötigen besondere Unterstützung.“ Präventionskonzepte sollten die gesamte Familie einbinden. „Kinder- und Jugendärzte, Jugendämter, Psychiatrische Kliniken, Hebammen - alle müssen noch besser zusammenarbeiten und auch die Kinder der psychisch Erkrankten im Blick haben“, forderte Kersting.

Oft ist es so, dass Kinder sich gar nicht erst trauen, Außenstehende einzubeziehen. „Denn psychische Erkrankungen sind immer noch stigmatisiert“, weiß Beate Lisofsky vom Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker. „Kinder leiden vielfach: Sie übernehmen die Elternrolle. Sie fragen sich Bin ich dran schuld, dass Papa traurig ist? Sie trauen sich nicht, Freunde nach Hause einzuladen. Sie haben Sorge, vielleicht selber einmal krank zu werden.“ Manchmal könne schon eine Haushaltshilfe ein erster entlastender Schritt sein.

„Nicht jedes Kind braucht eine psychiatrische Betreuung, aber wir wissen mittlerweile: Jedes Kind braucht mindestens eine verlässliche, gesunde Bezugsperson“, erklärt Lisofsky. Das können Verwandte, erwachsene Freunde, Nachbarn sein. Aber auch der Austausch mit anderen betroffenen Kindern in Gesprächsgruppen, wie es sie in einigen Regionen Deutschlands gibt, kann entlasten.

Ein auffangender Rahmen ist auch deshalb wichtig, weil doch immerhin ein Viertel der Kinder eine gewisse genetische Disposition dazu hat, selbst psychische Probleme zu entwickeln. „Hinzu kommt, dass durch die Krankheit oft auch soziale Probleme entstehen. Manchmal gibt es schwierige Erziehungsmuster, die weitergegeben werden“, so Kersting. Jüngere Kinder sind zudem darauf angewiesen, dass ihnen die Welt von den Großen gezeigt und erklärt wird.

Schon ganz früh, nämlich gleich nach der Geburt eines Kindes, gerät manche Familie aus dem seelischen Gleichgewicht. „Und auch hier muss immer noch Aufklärungsarbeit darüber geleistet werden, welche Symptome eine Wochenbettdepression haben kann und wie man damit umgeht“, fordert Kersting. Das allseits präsente Bild der glücklichen frischgebackenen Mutter mache es vielen Frauen sehr schwer, sich den eigenen, vielleicht davon abweichenden Gefühlen zu stellen und Hilfe zu suchen.