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Schadet Luftverschmutzung auch schon Ungeborenen?

Nach einer starken Feinstaubbelastung während der Schwangerschaft beobachteten Forscher u.a. Veränderungen in den Atemfrequenzen der Neugeborenen. Hielten sich Mütter vor allem im letzten Schwangerschaftsdrittel in einer Umgebung mit Luftverschmutzung auf, wurde bei ihren Kindern später eine größere Neigung zu Atemwegsentzündungen festgestellt. Die genauen Zusammenhänge konnten Wissenschaftler noch nicht erklären, sie haben jedoch mehrere Theorien dazu …

Bisher sind Forscher davon ausgegangen, dass Luftverschmutzung Kinderlungen erst im Schulalter zu schaffen machen kann. Einer Schweizer Studie zufolge, die auf dem europäischen Lungenkongress (der European Respiratory Society ERS) in Berlin vorgestellt wurde, kann zu viel Feinstaub in der Luft aber auch schon bei ungeborenen Kindern die Entwicklung der Lungen beeinträchtigen und insofern bereits Föten im Mutterleib schädigen. Für die Studie hat der Wissenschaftler Philipp Latzin von der Universität Bern den Zusammenhang zwischen Luftverschmutzung und Lungenleiden bei 241 Neugeborenen erforscht. Dafür wurde die Qualität der Luft gemessen, die Schwangere je nach Wohnort einatmen, wobei im Einzelnen die Werte für Ozon, Stickstoffdioxid und Feinstaub (PM10) und die Nähe des Wohnorts der werdenden Mütter zu Hauptverkehrsstraßen ausgewertet wurden. Nach der Geburt erfolgte schließlich eine Messung der Lungenfunktion der Säuglinge im Alter von fünf Wochen und während diese schliefen.

Veränderungen in den Atemfrequenzen der Neugeborenen wurden vor allem nach einer starken Feinstaubbelastung während der Schwangerschaft beobachtet. Im Vergleich zu Müttern, die fern einer Hauptstraße gelebt hatten, atmeten die Babys von Müttern an belebten Verkehrsadern schneller – nämlich 48-mal statt 42-mal in der Minute. Bei Babys, deren Mütter hauptsächlich im letzten Schwangerschaftsdrittel Luftverschmutzung ausgesetzt waren, wurde außerdem eine größere Neigung zu Atemwegsentzündungen festgestellt.

Zur Erklärung der beobachteten Auswirkungen gibt es verschiedene Theorien. Latzin vermutet, dass Luftverschmutzung die Lungen der Mütter angreift und den Blutzufluss zur Plazenta verringert, der für den Austausch von Nährstoffen und Sauerstoff zwischen Mutter und Fötus sorgen soll. Weniger Blutzufluss würde bedeuten, dass ungeborene Kinder weniger Nährstoffe während der Schwangerschaft erhalten. Einer anderen Theorie zufolge könnten sich Feinstaubpartikel über die Lunge ins Blut der Mutter und dann auch in das Blut des Kindes mischen und dann dessen Atemrhythmus verändern. Eine weitere Möglichkeit wäre eine durch Feinstaub verursachte Stoffwechselstörung der Mutter, die eine verringerte Bildung von Wachstumsfaktoren zur Folge haben könnte, was zum Beispiel die Ausbildung der Lungenbläschen beim Kind beeinträchtigen würde.

Insgesamt sehen die Forscher ihre Ergebnisse als Beweis dafür an, dass die Grenzwerte für Luftverschmutzung weiter gesenkt werden sollten. Wenn ihre Hypothese tatsächlich stimmen sollte, würden auch schon vorgeburtliche Einflüsse auf die Atemwege zu einem Anstieg der Häufigkeit von Lungenkrankheiten beitragen können und zu einer kürzeren Lebenserwartung führen.