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Soziale Schieflage im deutschen Schulsystem

Die Kinder- und Jugendpsychiater beklagen die soziale Ungerechtigkeit im deutschen Schulsystem. Kinder aus unteren gesellschaftlichen Schichten haben – unabhängig von den intellektuellen Fähigkeiten – von Anfang an geringere Bildungschancen als Kinder aus höheren Schichten. Dies gilt vor allem für Bayern...

Die Kinder- und Jugendpsychiater kritisieren die durch die PISA-Studie belegte soziale Selektion im deutschen Schulsystem. Aufgrund eigener Daten können sie bestätigen: "In Deutschland werden Kinder mit psychosozialen Problemen häufig zur Hauptschule geschickt - ungeachtet ihrer tatsächlichen intellektuellen Leistungsfähigkeit und sozialen Kompetenz", bemängelt Dr. Christa Schaff, Vorsitzende des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendpsychiater, Psychosomatiker und Psychotherapeuten (BKJPP).

Die Kinder- und Jugendpsychiater weisen vor dem Hintergrund der neuen PISA-Studie darauf hin, dass Kinder am Ende des 4. Grundschuljahres mit Hauptschulempfehlung viermal mehr psychiatrischen Beratungs- und Behandlungsbedarf zeigen als Kinder mit Gymnasial- oder Realschulempfehlung. Psychische Probleme häufen sich bei Kindern, die aus Familien mit finanziellen, partnerschaftlichen oder gesundheitlichen Problemen kommen - dies ist bei Kindern der unteren Schichten häufiger als bei Kindern der oberen Schichten der Fall, so die Praxiserfahrung der Kinder- und Jugendpsychiater in Deutschland.

Bayern ist nicht nur in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaft Spitze - auch die soziale Selektion ist hier am härtesten: Ein Facharbeiterkind hat laut PISA-Studie eine 6,2-fach geringere Chance, das Gymnasium zu besuchen als ein Kind der Oberschicht. "Wenn sich die Schulpolitiker aufgrund von PISA nur an der Leistungsspitze wie etwa Bayern orientieren, laufen sie Gefahr, soziale Ungerechtigkeiten zu zementieren. Das Wohnzimmer ist schön, aber die Nebenzimmer liegen brach - wer erfolgreiche Schulpolitik nur am Gymnasium misst, missachtet die soziale Schieflage im gesamten Schulsystem", warnt Dr. Schaff. Die Kinder- und Jugendpsychiater fordern daher eine Schulpolitik, die auf die Intelligenz und Kompetenz der Schüler und nicht auf ihre soziale Herkunft setzt. "Am Ende des PISA-Prozesses müssen die Schüler als Gewinner dastehen und nicht die Schulsysteme, die zwar perfekt funktionieren, aber durch ihre soziale Selektion Kindern und Jugendlichen berufliche Aufstiegschancen rauben", kritisiert die BKJPP-Vorsitzende.