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Steigender Beratungsbedarf für schwangere Minderjährige

Viele junge Mädchen erhoffen sich durch eine frühe Mutterschaft eine bessere soziale Stellung und wollen einer künftigen Arbeitslosigkeit entfliehen. Doch ungewollte Schwangerschaften nehmen auch aufgrund der zunehmenden Sexualisierung des öffentlichen Lebens zu. Dabei wissen viele junge Menschen trotz theoretischem Wissen nicht, wie sie in der Realität reagieren sollen…

Die Anlaufstellen der Diakonie in Sachsen für Schwangerschaftskonflikte beraten in steigendem Maße Minderjährige. „Sowohl die Zahl der Konflikt- als auch der Sozialberatungen hat deutlich zugenommen“, so Referent Wilfried Jeutner vom Landesverband des Diakonischen Werkes der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche e.V.

Im vergangenen Jahr wurden 151 nicht volljährige Mädchen bei Schwangerschaftskrisen beraten, 13 Teenager waren 14 Jahre oder jünger. Das waren 20 Beratungen (15%) mehr als in 2003 und 43 (40%) mehr als im Jahr 2000. Informationen zu sozialrechtlichen Fragen und finanziellen Hilfen holten sich im vergangenen Jahr 313 junge Frauen und Mädchen - 33 mehr als in 2000.

Mutterschaft: Hoffnung auf sozialen Aufstieg
Ein ganzes Faktorenbündel ist nach Ansicht Jeutners für den steigenden Beratungsbedarf ausschlaggebend. „Eine wesentliche Ursache liegt in der Arbeitsmarktsituation“, erklärt der Sozialpädagoge. Immer häufiger würden sich Mädchen in Gebieten mit hoher Arbeitslosigkeit für ein Kind entscheiden. „Wenn sie wenig Chancen am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt für sich sehen, kann es sein, dass sie die Mutterrolle als Ausweg wählen“, beobachtet Jeutner. „Die Schwangeren erhoffen sich davon einen gesellschaftlich anerkannten Sozialstatus und finanzielle Sicherheit.“ Das ziehe vor allem den Wunsch nach umfassender sozialrechtlicher Information nach sich.

Gleichwohl verschiebe dieses Vorgehen die Probleme nur in die Zukunft. „Wenn immer mehr Kinder Kinder kriegen, kommen auf die Gesellschaft langfristig Probleme zu“, mahnt der Psychologe. Weil sehr junge Mütter mitunter selbst noch in der Entwicklung begriffen seien, sei die Hilfe sozialer Institutionen stärker gefordert. Besonders in den Stellen Löbau und Marienberg sei die Zahl dieser Beratungen Minderjähriger deutlich gestiegen. Die Beratungszahlen in Sachsen liegen laut Jeuter leicht über dem Bundestrend.

Aufklärung: Theoretisches Wissen reicht nicht
Akute Krisen hingegen lösten häufig ungewollte Schwangerschaften bei Minderjährigen aus. Auch umfassende Aufklärung verhindere diese nicht. „Viele Mädchen verfügen über hohes theoretisches Wissen, doch später überwiegt das Geschehen des Moments“, stellt Jeutner aus Erfahrung fest. Die zunehmende Sexualisierung des öffentlichen Lebens trage dazu bei. „Die schulische Aufklärung ist oft problematisch, weil sie durch Scham und persönliche Sensibilitäten behindert ist“, erläutert er. Sachliche Aufklärung durch außerschulische Partner habe sich besser bewährt.

Nach Angaben des Statistischen Landesamtes wurden im vergangenen Jahr 490 Schwangerschaften Minderjähriger abgebrochen. Das sind reichlich 7% aller Unterbrechungen (6.642) im Freistaat. Die Diakonie betreibt in Sachsen 20 Beratungsstellen.