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Störungen der Sprachentwicklung sind nicht nur ein Problem der Krankenkassen

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte nimmt Stellung zum Barmer GEK Arztreport 2012 und fordert mehr und bessere Sprachentwicklungsförderung im Rahmen umfassender frühkindlicher Bildung und Entwicklungsanregung...

„Im Alter von 5-6 Jahren, zum Schuleingang, werden heute bei 38% der Jungen und 30% der Mädchen Entwicklungsstörungen des Sprechens und der Sprache festgestellt, gut die Hälfte dieser Kinder bekommt teure Sprachheilbehandlungen“, zitiert Dr. Wolfram Hartmann, Präsident des BVKJ, aus dem aktuell in Berlin von der Barmer GEK veröffentlichten Arztreport mit dem Schwerpunkt Kindergesundheit. „Das sind Zahlen, die wir seit Jahren aus eigenen Untersuchungen und aus den Schuleingangsuntersuchungen kennen. Zu einem großen Teil handelt es sich um Kinder aus bildungsfernen Familien, in denen nicht viel gesprochen wird und der Fernseher oder die Playstation die familiäre Kommunikation ersetzt, oder Familien mit Migrationshintergrund, in denen nur wenig deutsch gesprochen wird. Nur etwa jeder zehnte Fall hat eine medizinische Ursache.“ Verursacht würden die meisten Sprachentwicklungsstörungen durch familiäre Anregungsdefizite, die nicht nur zu Störungen der Sprachproduktion, sondern auch des viel ernster zu nehmenden Sprachverständnisses führen können. Deshalb erkläre sich, dass betroffene Kinder viel häufiger die Schule abbrächen oder nur schlechte Schulnoten beim Schulabgang aufwiesen. Allein die Störung der Sprachentwicklung könne also durchaus eine schlechte Sozialprognose bedeuten. Sprachentwicklungsstörungen seien deshalb eben nicht nur ein Kostenproblem für die Krankenkassen, sondern von teilweise schicksalhafter Bedeutung für die Kinder.

Abhilfe sieht Hartmann in der so früh wie möglich einsetzenden Förderung der Kinder unter Einbezug der Familien. „Besondere Unterstützung brauchen Familien in den bildungsfernen Schichten,“ betont der Verbandspräsident. „Deshalb fordere ich zum wiederholten Male die Bildungspolitik auf, ausreichende und bestqualifizierte Plätze in Krippen oder Kitas zur Verfügung zu stellen, um unter Einbezug der Familien fördern zu können. Das Medizinsystem kann mit seinem individualtherapeutischen Ansatz diese wichtige gesellschaftlich-pädagogische Aufgabe nicht übernehmen.“

Bezüglich der Barmer-GEK Zahlen zu Vorsorgeuntersuchungen sagte Hartmann, dass er sehr erfreut sei, dass mit Ausnahme der erst 2009 eingeführten U7A wenigstens 90% der Kinder von der U3 angefangen bis zur U9 teilnähmen. Diese Zahlenmittel aus den Jahren 2009 bis 2010 dürften heute aufgrund der jetzt bundesweit verbindlichen Vorsorgeuntersuchungen noch deutlich besser sein. Dies lasse sich am Beispiel des Saarlandes ablesen, in dem seit 2007 verpflichtende Vorsorgen eingeführt wurden und im Mittel bei allen Vorsorgen Teilnahmeraten um 97% erreicht würden.