Amerikanische Wissenschaftler*innen kommen zu dem Schluss, dass die exekutiven Funktionen mit 18 bis 20 Jahren ausgereift sind. Unter exekutiver Funktion versteht man eine Reihe geistiger Fähigkeiten, zu denen die Fähigkeit gehört, zu planen, zwischen Aufgaben zu wechseln, sich nicht ablenken zu lassen und sich zu konzentrieren.
Für die Studie sammelten und analysierten die Forscher*innen viele Messungen zur Beurteilung exekutiver Funktionen bei mehr als 10.000 Menschen. „Wenn ich mit Eltern spreche, sagen viele von ihnen: ‚Mein 18-Jähriger ist auf keinen Fall ganz erwachsen!‘“, sagte die leitende Autorin Beatriz Luna, Professorin für Psychiatrie an der University of Pittsburgh School of Medizin und Expertin in Bezug auf neurokognitive Entwicklung.
„Andere wichtige Verhaltensfaktoren, die die exekutive Funktion ergänzen, wie etwa die Fähigkeit, die eigenen Emotionen zu kontrollieren, können sich mit dem Alter ändern. Die exekutiven Funktionen verbessern sich mit zunehmendem Alter und entwickeln sich weiter, so Luna in einer Pressemitteilung der Universität.
Während viele Meilensteine der Kindheit bekannt sind, sind die Entwicklungsschritte während des Übergangs vom Jugendalter zum Erwachsensein bisher weniger beschrieben, heißt es in der Studie. Es gibt individuell große Unterschiede und die Möglichkeit, das „Erwachsenwerden“ zu messen, sind begrenzt.
Nun seien Werkzeuge zur Beurteilung der kognitiven Entwicklung und der Gehirnentwicklung zur Verfügung gestanden, die es bis vor einigen Jahren noch nicht gab „Eine Studie dieser Größenordnung wurde nur durch den offenen Datenaustausch und durch Expertin*innen ermöglicht, die großzügig Zugang zu ihren Datensätzen gewährten, ohne eine Gegenleistung zu verlangen“, sagte der Hauptautor Brenden Tervo-Clemmens, Assistenzprofessor für Psychiatrie und Verhaltenswissenschaften an der University of Minnesota in einer Pressemitteilung. Tervo-Clemmens begann diese Forschung noch als Doktorand in Lunas Labor Pitt.
Anhand von einzigartigen Datensätzen konnten die Wissenschaftler*innen die exekutiven Funktionen von 10.000 Teilnehmern im Alter von 8 bis 35 Jahren bewerten. Sie verfolgten Veränderungen im Laufe der Zeit und ob die Leistung in verschiedenen Tests zu einem einzigen Verlauf passte.
Entwicklungsschub mit 10 bis 15 Jahren
Die Forscher*innen beobachteten einen raschen Entwicklungsschub der exekutiven Funktionen im Alter von 10 bis 15 Jahren. Darauf folgten kleine, aber signifikante Veränderungen bis zur mittleren Adoleszenz, im Alter von 15 bis 18 Jahren. Im Alter von 18 bis 20 Jahren erreichte die Entwicklung die Leistungsfähigkeit eines Erwachsenen.
Dieser nun bekannte Verlauf könnte es Forscher*innen ermöglichen, zu verfolgen, wie therapeutische und medikamentöse Interventionen Entwicklungsmeilensteine beeinflussen könnten, lautet das Fazit der Autor*innen.
Viele psychische Erkrankungen treten beispielsweise im Jugendalter auf. Diese Studie deutet darauf hin, dass Jugendliche zwar eindeutig über komplexe kognitive Fähigkeiten verfügen, einschließlich der Fähigkeit, sich nicht ablenken zu lassen, Informationen im Gedächtnis zu behalten und zu aktualisieren und abstrakt für zukünftige Ereignisse zu planen, diese Fähigkeiten jedoch erst im Alter von 18 bis 20 Jahren (späte Adoleszenz) ihr volles Potenzial erreichen. Entwicklungsphasen in diesen Altersbereichen (d. h. frühe bis mittlere Adoleszenz mit etwa 10–15 Jahren und mittlere bis späte Adoleszenz mit etwa 15–18 Jahren) sind daher wahrscheinlich kritische Endstadien für diese kognitive Entwicklung. Abweichungen von dieser Entwicklung können die Fähigkeiten im Erwachsenenalter einschränken. Das Erkennen dieser sensiblen oder sogar kritischen Phasen der kognitiven Entwicklung ist von entscheidender Bedeutung, um bei Problemen frühzeitig eingreifen zu können.
Die Studienergebnisse wurden am 30. Oktober in der Zeitschrift „“ veröffentlicht. Die Forscher*innen schlussfolgern, ihre Ergebnisse hätten erhebliche Auswirkungen auf Psychiater*innen, Neurowissenschaftler*innen, Eltern, Pädagoginnen/Pädagogen und möglicherweise auch auf das Justizsystem.
Quellen: HealthDay, University of Pittsburgh, Nature Communications