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Suchtprävention durch spielzeugfreie Kindergärten

In einem Frankfurter Kindergarten spielen die Kinder 3 Monate lang ohne Spielzeug. Das Konzept basiert auf der Idee, dass Kinder in ihrem späteren Leben weniger suchtgefährdet sind, wenn sie schon früh Kreativität und Kommunikationsfähigkeit entwickeln...

"Die Ameisen" machen mit beim spielzeugfreien Kindergarten. Die Kindergruppe eines Frankfurter Kindergartens hat ihr Spielzeug für 3 Monate in den Urlaub geschickt. Jetzt bauen die Kinder eine Höhle aus Decken und Matratzen oder spielen Fangen. Der "spielzeugfreie Kindergarten" ist ein von Gesundheitsexperten der EU ausgezeichnetes Projekt zur Suchtprävention im Kindergartenalter. Dahinter steckt die Idee, dass Kinder in ihrem späteren Leben weniger suchtgefährdet sind, wenn sie schon früh Kreativität und Kommunikationsfähigkeit entwickeln. Das sollen sie lernen, indem sie sich ohne Spielzeug beschäftigen müssen.

Am Anfang war es chaotisch
"Einige Kinder waren ein bisschen traurig, als das Spielzeug in den Urlaub fuhr", berichtet Kindergärtnerin Carmen Cicek. Manche brauchten eine Stunde bis sie wieder zu spielen anfingen. Für die Kindergärtnerinnen waren die ersten Tage chaotisch. Alle rannten herum oder rückten Möbel. "Das vermeintliche Chaos ist Ausdruck des Ausprobierens", weiß Anne Jost, die Leiterin der Frankfurter Fachstelle Prävention. Die Kinder entwickelten schnell neue Ideen. An einem Tag spielten sie Mumie, an einem anderen Prinzessin, Geburtstag oder Tiger und Löwe. Quer aufgestellte Matrazen wurden zur Baustelle, zwei Stühle vor den Waschbecken zum Friseur-Salon. "Das ging bei den Ameisen sehr schnell", lobt Jost. Es gibt auch Kindergärten, wo die Kinder erst mal vier Wochen nur toben und die Teams schon ganz verzweifelt sind."

Kreativität und Selbstsicherheit fördern
Doch das müssen die Betreuer aushalten. Denn der Entzug des Spielzeugs und die dadurch hervorgerufene Leere sollen den Freiraum für Kreativität und Selbstsicherheit bei den Kindern schaffen. Das Anfang der 90er Jahre von einem bayerischen Suchtarbeitskreis entwickelte Projekt hat über Deutschland hinaus Schule gemacht. Der spielzeugfreie Kindergarten, so Jost, stehe dabei für die Leitlinie der WHO: "Suchtprävention heißt die Förderung von Lebenskompetenzen". Dazu zählen Kommunikations-, Kontakt- und Konfliktfähigkeit. Die Kinder sollen lernen, Verantwortung für das eigene Handeln zu übernehmen, sich eigene Aufgaben zu stellen, Probleme wahrzunehmen, sich Hilfe zu holen oder Lösugen zu finden.

Spielzeug als Schutz
Die Erfahrung, dass schon die Kleinsten mit Spielzeug übersättigt sind, veranlasst viele Kindergärten bei dem Projekt mitzumachen. Der Frankfurter Kindergruppe ging es zunächst darum, die Kommunikation zwischen den Kindern zu fördern. Alle Kinder der Gruppe wachsen mindestens zweisprachig auf. Schon in der ersten Projektwoche hätten die Kinder viel mehr miteinander geredet, freut sich Kindergärtnerin Cicek. "Sie müssen einen Spielpartner finden und dem erklären, was sie sich ausgedacht haben." Mancher Einzelgänger sei richtig aufgeblüht und habe plötzlich Freunde gefunden, erzählt sie. "Viele haben sich früher hinter dem Spielzeug versteckt wie hinter einem Schutz." Auch zu Hause wurden einige Eltern von ihren Kindern überrascht, weil sie das Spielzeug in den Urlaub schicken wollten. Viele Mütter berichteten, dass ihre Kinder ausdauernder und kreativer spielten als vorher.