Infektionen in den ersten Lebensmonaten machen anfälliger für ein späteres Auftreten von Autoantikörpern, welche die Entwicklung eines Typ 1 Diabetes (Zuckererkrankung) kennzeichnen. Insbesondere Atemwegserkrankungen im ersten Lebensjahr, allen voran ein akuter Erkältungsschnupfen (Rhinopharyngitis), scheinen dabei eine wichtige Rolle zu spielen. Dies konnten Wissenschaftler des Instituts für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München, in ihrer jüngsten Veröffentlichung in der Fachzeitschrift ‚JAMA Pediatrics‘ nachweisen.
Verschiedene Infektionskrankheiten bei Babys untersucht
Die sogenannte Insel-Autoimmunität bezeichnet die Bildung von Autoantikörpern gegen die Insulin-bildenden Betazellen der Bauchspeicheldrüse und tritt am häufigsten im Alter von 6 Lebensmonaten bis 3 Jahren auf. Die Münchner Diabetesforscher gingen daher der Frage nach möglichen Auslösern in diesem Zeitfenster nach. Sie analysierten Daten von 148 Teilnehmern der BABYDIET Studie, die Angehörige mit Typ 1 Diabetes und damit ein erhöhtes Risiko für eine Insel-Autoimmunität haben. In täglichen Infektionsprotokollen hatten deren Eltern in den ersten drei Lebensjahren insgesamt 1.245 Infektionen in 90.750 Personentagen dokumentiert. Unterschieden wurde nach Infektionen des respiratorischen Trakts (Atemwegserkrankungen), des gastrointestinalen Trakts (Magen-Darm-Infektionen) sowie sonstigen Infektionen. Fieber und Medikation wurden ebenfalls erfasst. Im dreimonatlichen Abstand wurde zudem das Blut der Kleinkinder auf die Bildung von Autoantikörpern untersucht.
Mindestens zweimalige Atemwegsinfektion hatte größten Einfluss
Dabei konnte im ersten Lebensjahr ein Zusammenhang zwischen Atemwegsinfektionen – unter Verdacht stehen insbesondere Infektionen der oberen Atemwege bei einer Rhinopharyngitis (Erkältungsschnupfen) – und einem erhöhten Auftreten von Inselautoantikörpern, festgestellt werden. Kinder mit späteren Inselautoantikörpern hatten sich mindestens zweimal im ersten Lebensjahr infiziert, hauptsächlich mit Atemwegsinfekten. Am höchsten war das Risiko für Insel-Autoimmunität bei Kindern, die im ersten Lebensjahr mehr als fünf Atemwegsinfekte durchlitten. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass wahrscheinlich nicht eine spezifische Infektion oder ein spezifisches Virus als Auslöser für Insel-Autoimmunität und Typ 1 Diabetes verantwortlich ist. Vielmehr scheint die Summe der Infektionen und der dabei freigesetzten entzündlichen Botenstoffe für das Risiko einer Autoimmunreaktion entscheidend zu sein. Dafür sprechen auch die Befunde der kürzlich veröffentlichen TEDDY-Studie in der Fachzeitschrift ‚Diabetologia‘, bei der zum Zeitpunkt des Auftretens von Inselautoantikörpern im Blut der betroffenen Kinder kein spezifisches Virus nachweisbar war.
„Die Analyse hat gezeigt, dass häufige Atemwegserkrankungen im ersten Lebensjahr ein potentieller Risikofaktor für die Entstehung von Typ 1 Diabetes sind“, fasst Erstautor Dr. Andreas Beyerlein vom Institut für Diabetesforschung, Helmholtz Zentrum München, die Ergebnisse zusammen. „Das Immunsystem ist in den ersten Lebensmonaten noch unreif und nach einigen Monaten entfällt der passive Immunschutz („Nestschutz“) durch die Mutter.“ Dem entspricht, dass die Anzahl der Infektionen nach den ersten 6 Lebensmonaten in der BABYDIET Studie stark anstieg. Dann traten auch die ersten Fälle von Autoimmunität auf.
Vermeidung von vielen Erkältungskrankheiten in frühen Kindheit wirkt u.U. vorbeugend
Nach Ansicht von Studienleiterin Prof. Dr. med. Anette-Gabriele Ziegler sprechen die Erkenntnisse für eine Vermeidung von multiplen Erkältungskrankheiten in früher Kindheit als präventive Maßnahme gegen Typ 1 Diabetes: „Die Entwicklung gezielter Impfungen oder antiinflammatorischer Therapien könnte besonders in genetisch bedingten Risikopersonen zu einer gesunden Reifung des Immunsystems und somit zur Prävention gegen Typ 1 Diabetes beitragen.“
Andere vorbeugende Ansätze untersucht das Institut für Diabetesforschung in der Studie INIT II, bei der die Entstehung von Typ 1 Diabetes bei Risikopersonen mit einer Art „Insulinimpfung“ verhindert werden soll. Vorstudien hierzu verliefen vielversprechend.
Quelle: Pressemeldung des Instituts für Diabetesforschung- Helmholtz Zentrum München
Original-Publikation: JAMA Pediatrics