Dr. Thomas Fischbach, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) sagte dazu heute in Köln: „Die Kinder- und Jugendmedizin in Deutschland ist in großer Gefahr. Kinderkliniken, auch Kinderintensivstationen, legen Betten still oder schließen gleich ganz. Zunehmend wird es auch schwerer, für Kinder- und Jugendarztpraxen Nachfolgerinnen oder Nachfolger zu finden. Vielerorts finden Eltern schon heute keinen Pädiater mehr für ihre Kinder. Uns fehlt der medizinische Nachwuchs, denn in Deutschland werden zu wenig Mediziner ausgebildet. Und junge Mediziner scheuen auch zunehmend das finanzielle Risiko einer Niederlassung und die überbordende Bürokratie, die die eigentliche ärztliche Arbeit behindert. In den nächsten fünf Jahren werden rund ein Viertel aller Kinder- und Jugendärzte in den Ruhestand gehen, der derzeitige Babyboom hält voraussichtlich und erfreulicherweise weiter an. Dadurch wird die Versorgungslage noch schwieriger als heute.
Hier muss die Politik schnellstmöglich gegensteuern. Wir brauchen zum einen eine Ausweitung der Medizinstudienplätze. Zum anderen benötigen wir für Kinderkliniken und auch für unsere Praxen eine Finanzierungsgrundlage, die den tatsächlichen Behandlungsaufwand adäquat abbildet. Wir müssen in der Lage sein, die uns anvertrauten Kinder und Jugendlichen bestmöglich medizinisch zu versorgen. Auch jetzt unter Pandemiebedingungen, die unsere Praxen enorm belasten.
Kinderrechte stärken
Außerdem wünschen wir uns eine Stärkung der Kinderrechte. Gerade die letzten Monate haben gezeigt, dass die Stimmen von Kindern und Jugendlichen zu wenig Gewicht haben. Die Einschränkungen des Alltags haben sie besonders getroffen. Schulen und Kitas schlossen von einem Tag auf den anderen, Spielplätze wurden gesperrt, Sport im Verein entfiel. Wie Kinder und Jugendlichen dies erlebten, war wochenlang kein Thema in der Politik.
Dabei hatte sich die Große Koalition schon zu Beginn der Legislatur vorgenommen, die Kinderrechte explizit im Grundgesetz zu verankern. Seit November 2019 gibt es einen Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht. Sie will ins Grundgesetz, Artikel 6 einen neuen Absatz einfügen, wonach jedes Kind "das Recht auf Achtung, Schutz und Förderung seiner Grundrechte" hat und bei staatlichen Entscheidungen, die diese Rechte unmittelbar betreffen, einen Anspruch auf rechtliches Gehör. Aus unserer Sicht ist es höchste Zeit den Weg frei zu machen für die Aufnahme von Kinderrechten ins Grundgesetz.
Und wir brauchen flächendeckend in allen Parlamenten Kinderbeauftragte. Diese müssen mit umfassenden Rechten ausgestattet werden, um staatliches Handeln gemäß Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention darauf zu überprüfen, ob bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, das Wohl des Kindes vorrangig zu berücksichtigt wird – etwa bei der Stadt- und Freiflächenplanung. Nur so kann sichergestellt werden, dass das Wohl und der Schutz unserer Kinder und Jugendlichen vorrangig vor allen anderen Interessen berücksichtigt wird. Zur Zeit werden überall in unserem Land Rettungsschirme aufgebaut. Es ist höchste Zeit für Rettungsschirme auch für Kinder und Jugendliche, die ihre Gesundheit und ihr Wohlergehen schützen!“
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