Esssüchtige verschlingen innerhalb kurzer Zeit große Mengen, ohne dass sie – wie bei der Bulimie – das Essen wieder erbrechen. Ess-Sucht (Binge Eating Disorder: BED oder psychogene Adipositas) gehört zu den seelisch bedingten Ess-Störungen. Hunger- und Sättigungsgefühl entsprechen dabei nicht dem tatsächlichen Bedarf des Körpers. Wie Magersucht und Ess-Brech-Sucht scheint es sich um eine Zivilisationskrankheit zu handeln. Betroffene Kinder neigen häufig zu bewegungsarmen Freizeitbeschäftigungen wie Fernsehen, Computer- und Gameboy-spielen. Sie zeigen selten aggressive Verhaltensweisen und „schlucken“ stattdessen vor allem unangenehme Gefühle wie z.B. Ärger, Traurigkeit oder Einsamkeit herunter. Doch sind nicht alle dicken Kinder zugleich ess-süchtig. Eine Studie mit übergewichtigen Jugendlichen kam zu dem Ergebnis, dass davon etwa 57% der Mädchen und 35% der Jungen an BED leiden.
„Kinder können sehr unterschiedliche Mengen essen. Erst wenn sie in Heißhungeranfällen sehr große Mengen sehr schnell verzehren und diese mindestens zweimal pro Woche über sechs Monate anhalten, kann man von Ess-Sucht sprechen“, erklärt Prof. Dr. Hans-Jürgen Nentwich vom Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Nach dem Essen haben essgestörte Kinder und Jugendliche meist Schuldgefühle und sind depressiv. Sie versuchen ihr Verhalten zu verbergen. Längerfristig können nicht nur Schäden durch das Übergewicht (wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Gelenk- und Wirbelsäulenschäden, Zucker) entstehen, sondern auch durch einen Vitamin- und Mineralstoffmangel, da Ess-Süchtige in der Regel Nahrungsmittel bevorzugen, die fett und reich an Kohlehydraten sind, aber wenig Nährstoffgehalt enthalten.
„Sobald Eltern bemerken, dass ihr Kind heimlich isst und kalorienreiche Nahrungsmittel wie Knabbereien oder Süßigkeiten hortet, sollten sie Hilfe beim Kinder- und Jugendarzt suchen. Wichtig ist es, das Hunger- und Sättigungsgefühl und damit das Essverhalten frühzeitig zu normalisieren, um einen Teufelskreis zu vermeiden. Denn je übergewichtiger die Kinder sind, desto schwerer fällt es ihnen, sich zu bewegen und beständig bis zum „Normgewicht“ abzunehmen.