„Ab dem 01. Januar 2009 müssen alle Krankenkassen ihren Versicherten Hausarztverträge anbieten. Diese Frist läuft am 30.06.2009 ab. Diese gesetzlich geschaffene Vorgabe, dass Krankenkassen mit Hausarztverbänden, die die Mehrheit der Allgemeinmediziner in einer bestimmten Region repräsentieren, Hausarztverträge abschließen müssen, wird von der AOK und dem Hausärzteverband nach den bisherigen Erkenntnissen dahingehend genutzt, die besondere Kompetenz des Kinder- und Jugendarztes aus der ambulanten Regelversorgung weitgehend auszugrenzen“, resümiert Dr. Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). „Für die Grundversorgung der Kinder und Jugendlichen beinhalten die jüngst abgeschlossenen Hausarztverträge der AOK in Baden-Württemberg und Bayern in keiner Weise die an eine abgeschlossene fachärztliche Weiterbildung in Kinder- und Jugendmedizin gebundene besondere Qualifikation eines Kinder- und Jugendarztes, von einer Qualitätsverbesserung in der Versorgung der Versicherten, wie von der Politik vollmundig versprochen, kann keine Rede sein.“
So gäben diese Verträge keine qualitativen Vorgaben zur Versorgung von Kindern und Jugendlichen mit ihrem besonderen Problemen und Erkrankungen, kritisiert Hartmann. Es würden z.B. keinerlei eingehende Kenntnisse in der komplexen Arzneimittelversorgung dieser Altersgruppe vorausgesetzt, ebenso wenig eingehende Kenntnisse in den besonderen Problemen der Entwicklung von Psyche, Sprache, Motorik usw. Die europaweit nahezu einzigartige pädiatrische Qualität in der ambulantern Grundversorgung unserer Kinder, wie sie durch die niedergelassenen Kinder- und Jugendärzte garantiert wird, werde durch solche Verträge nach Auffassung des Verbandes mit Füßen getreten. Aber mehr noch: hiernach braucht es den Kinder- und Jugendarzt in der ambulanten Regelversorgung in Zukunft gar nicht mehr zu geben.
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte stellt klar, so Hartmann, dass er seinen Mitgliedern dringend abrät, solche Verträge zu unterzeichnen. „Hiermit unterschreiben wir das Todesurteil für unsere Fachgruppe“, bringt es der Präsident auf den Punkt. „Auch wenn der Gesetzgeber vorgesehen hat, dass bei Allgemeinärzten eingeschriebene Kinder und Jugendliche weiterhin ohne Überweisung einen Kinder- und Jugendarzt aufsuchen dürfen, fallen solche Kinder und Jugendliche durch die Einschreibung aus der Regelversorgung durch die Kinder- und Jugendärzte heraus “, betont der Präsident, „außerdem ist es nicht gesichert, dass der Kinder- und Jugendarzt für seine Tätigkeit in diesen Fällen auch ein angemessenes Honorar erhält. Der Gesamtvergütung im hausärztlichen Versorgungsbereich werden nämlich durch diese Hausarztverträge umfangreiche Mittel entzogen und es bleibt völlig unklar, ob genügend Geld für die Versorgung außerhalb der Verträge zur Verfügung steht.“
Die Kinder- und Jugendärzte raten allen Eltern dringend davon ab, ihre Kinder in Hausarztverträge einzuschreiben, denn sie enthalten für ihre Kinder keine Verbesserung der Versorgung. Es gibt auch Krankenkassen, die Kinder und Jugendliche fördern und Verträge anbieten, die eine Qualitätsverbesserung beinhalten.
Hartmann weist darauf hin, dass es die gegenwärtige Gesundheitspolitik ist, die den Kinder- und Jugendärzten diese existentiell bedrohliche Situation eingebrockt hat. „Wer vorhat, dass er Kinder- und Jugendärzte in der Grundversorgung nicht mehr haben will, soll uns das bitte ins Gesicht sagen. Momentan hören wir nur die Beteuerung, dass die Grund- und Regelversorgung der Kinder und Jugendlichen durch den Kinder- und Jugendarzt erfolgen soll. Man schafft aber gleichzeitig die gesetzlichen Möglichkeiten, genau das Gegenteil zu erreichen.“
Die Kinder- und Jugendärzte verweisen auf eine Blitz-Umfrage unter mehr als 500 Eltern in Bayern, wonach sich alle für den unbedingten Erhalt der ambulanten Grundversorgung ihrer Kinder durch den Pädiater ausgesprochen haben. „Wir sind uns bewusst, dass wir in den Eltern unsere stärkste Lobby haben“, sagt der Präsident, „wir werden darauf politisch in Zukunft sehr viel stärker bauen und sie auf die drohende Gefahr einer schlechteren künftigen Versorgung ihrer Kinder hinweisen.“