Tumoren des Plexus choroideus entstehen, wenn sich im Gehirn spezialisierte Epithelzellen unkontrolliert vermehren, die den „Liquor“ produzieren, die Flüssigkeit, die Gehirn und Rückenmark umspült. Die Tumoren sind sehr selten, gehören aber bei Kleinkindern unter einem Jahr zu den häufigsten Neubildungen des Zentralnervensystems. Bemerkenswert ist, dass sie bereits im dritten Schwangerschaftsdrittel nachgewiesen werden können.
Tumoren des Plexus choroideus lassen sich einteilen in die eher gutartigen Plexuspapillome und die bösartigen Plexuskarzinome. Die Übergänge sind fließend. Plexuspapillome haben sehr gute Heilungsaussichten, die Plexuskarzinome dagegen eine ungünstige Prognose. Aufgrund ihrer Seltenheit sind diese Tumoren bislang wenig erforscht. „Es war zwar bekannt, dass in Tumoren des Plexus choroideus ausgedehnte Chromosomendefekte vorliegen, aber bislang waren keine bestimmten krebstreibenden Mutationen bekannt, die die Entstehung dieser Tumoren begünstigen“, berichtete Annarita Patrizi, Nachwuchsgruppenleiterin im DKFZ.
Mit ihrer Forschungsgruppe hat die Zellbiologin nun erstmals die Ergebnisse einer umfassenden Untersuchung dieser Tumoren vorgelegt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihres Teams hatten zunächst die Genaktivität in Plexustumoren und gesundem Gewebe dieser Gehirnstruktur verglichen. Dabei fanden sie in den Tumoren besonders viele Abweichungen bei Komponenten des so genannten Wnt/β-Catenin-Signalwegs. Diese zentrale Kommunikationsverbindung zwischen den Zellen ist für viele Vorgänge bei der Embryonalentwicklung wichtig, zum Beispiel für die Bildung von Organanlagen. In adulten Zellen ist der Signalweg zumeist inaktiv, in Tumorzellen kann er aber wieder aktiviert vorliegen.
Die Färbung von Gewebeproben von Tumoren des Plexus choroideus bestätigte, dass Wnt in den Krebszellen dauerhaft aktiviert ist. Die Forschenden zeigten, dass Zellen aus Plexustumoren für ihr Überleben und Wachstum von der Wnt-Aktivität abhängig sind. Wird die Wnt-Aktivität der Plexus-Zellen angekurbelt, so reicht dies aus, dass sie tumortypische Eigenschaften entwickeln, z.B. beschleunigtes Wachstum und Invasionsfähigkeit.
In der Kulturschale gezüchtete Plexus-Organoide entwickeln weniger stark ausdifferenzierte Zellen, wenn der Inhibitor APC genetisch ausgeschaltet und damit das Wnt-Signal verstärkt ist. Die Zellen zeigen dann Anzeichen für eine Umwandlung zu Tumorzellen.
„Die konstitutive Aktivierung von Wnt in den frühen Entwicklungsphasen des Plexus choroideus führt offenbar zum Verlust der zellulären Identität, sowohl in Maus- als auch in menschlichen Organoiden. Es ist denkbar, dass die normale Entwicklung dieser Hirnstruktur von der korrekten räumlich-zeitlichen Aktivierung von Wnt abhängt. Störungen des zeitlichen Verlaufs können die normale Entwicklung beeinträchtigen und zur Tumorentstehung führen“, erklärte Patrizi.
Aufgrund seiner wichtigen Rolle bei der Gewebeentwicklung und Homöostase ist der Wnt-Signalweg ein attraktives, aber auch herausforderndes Ziel für die Präzisionsonkologie. Derzeit laufen mehrere klinische Studien, um diesen Signalweg mit verschiedenen Strategien auszubremsen. Ein Wnt-Inhibitor befindet sich derzeit in Phase 1-2 der klinischen Prüfung bei Patienten mit soliden Tumoren.
„Wir konnten zeigen, dass dieser Inhibitor bei einer Plexus choroideus-Tumorzelllinie die Zellproliferation bremst und das Überleben beeinträchtigt“, so Patrizi. Weitere Forschung, insbesondere an den Plexusorganoiden, soll dazu beitragen, endlich gezielte Behandlungsmöglichkeiten für diese Erkrankung zu finden.
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Dr. Sibylle Kohlstädt, Strategische Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, Deutsches Krebsforschungszentrum
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Quellen: idw-online.de, Deutsches Krebsforschungszentrum, Neuro Oncol.