Zwillingsstudien - die Ähnlichkeiten in den Ergebnissen zwischen genetisch identischen und nicht-identischen Zwillingen vergleichen, die von ihren biologischen oder adoptierten Eltern aufgezogen wurden - haben bereits gezeigt, dass der elterliche Einfluss viel geringer ist, als wir gerne annehmen. Nun geht ein Artikel in der Fachhteitschrift „Social Psychological and Personality Science“ sogar noch weiter und verwendet den Zwillingsansatz, um zu zeigen, wie falsch es ist, die Eltern-Kind-Dynamik als eine einseitige Beziehung zu betrachten. "Angesichts der aktuellen Beweise ... ist es viel passender, die Elternschaft als einen wechselseitigen Prozess zu begreifen, in dem Eltern und Kinder sich gegenseitig beeinflussen", schreiben Mona Ayoub von der Universität von Illinois in Urbana-Champaign und ihre Kollegen.
Ayoubs Team verwendete Daten aus dem Texas Twin Project, das auch die Einschätzungen der Eltern über ihren eigenen Erziehungsstil erfasste (insbesondere in Bezug auf emotionale Wärme und Stressbelastung im Umgang mit ihren einzelnen Kindern) und das die Beurteilung der Persönlichkeitsmerkmale der Kinder enthielt. Insgesamt gab es 497 identische Zwillingspaare in der Studie, 480 gleichgeschlechtliche, nicht identische Zwillingspaare und 434 gegengeschlechtliche Zwillinge – alle mit einem Durchschnittsalter von 13 Jahren.
Die Logik, die dem Ansatz der Forscher zugrunde lag, war, dass, wenn Kinder den Erziehungsstil ihrer Eltern über ihre eigenen genetischen Merkmale beeinflussen können, im Durchschnitt der Erziehungsstil gegenüber jedem Zwilling in einem Paar eineiiger Zwillinge ähnlicher sein sollte als der Erziehungsstil zu jedem Zwilling in einem Paar von nicht-identischen Zwillingen.
Identische Zwillinge – ähnlicher Erziehungsstil
Und genau das haben die Forscher herausgefunden. 27% des Unterschieds bezüglich emotionaler Wärme der Eltern und 45% des Unterschieds bezüglich des elterlichen Stresslevels waren auf genetische Einflüsse bei den Kindern zurückzuführen. Ein bedeutender Teil dieses genetischen Einflusses hing mit den Persönlichkeitsmerkmalen der Kinder zusammen: Kinder, die bei Verträglichkeit und Gewissenhaftigkeit höher punkteten, neigten dazu, Eltern mit größerer Warmherzigkeit zu haben, während Kinder mit geringerer Verträglichkeit eher Eltern hatten, für die die Erziehung ihrer Kinder stark mit Stress belastet war.
Die Daten belegen, was viele Mütter und Väter bereits aus Erfahrung wissen - es ist viel einfacher, ein musterhaftes geduldiges Elternteil zu sein, wenn das Kind „lieb“ ist, nicht so sehr, wenn es „frech“ ist.
Die Persönlichkeitsmerkmale der Kinder waren etwa zur Hälfte mithilfe ihrer Anlagen zu erklären, die dann auch das Verhalten der Eltern beeinflussten. Die Forscher gehen davon aus, dass andere genetische Merkmale bei den Kindern ebenfalls einen Einfluss haben, wie z.B. wenn Kinder zu Depressionen neigen oder wenn sie zu "externalisierendem Verhalten" tendieren und auf Probleme mit Aggressionen und Ungehorsam antworten.
Umweltfaktoren weniger bedeutsam
Die Studie war auch in der Lage, den Einfluss von Umweltfaktoren auf das Verhalten der Eltern und die Persönlichkeitsmerkmale der Kinder zu untersuchen - dies sind Umweltfaktoren (ohne genetischen Einfluss), die einen Zwilling betreffen, aber nicht den anderen, was zu unterschiedlicher Erziehungsstilen gegenüber Kindern innerhalb einer Familie beiträgt. Dies kann z.B. eine Krankheit sein, an der nur ein Zwilling leidet, die aber nicht den anderen Zwilling betrifft.
Obwohl weniger bedeutsam als die genetischen Einflüsse bei Kindern, fanden die Forscher heraus, dass Umweltfaktoren sowohl das Stressniveau der Eltern erhöhen konnten als auch die Gewissenhaftigkeit und emotionale Stabilität der Kinder verringerten.
Ayoub und ihre Kollegen wiesen auf die praktischen Auswirkungen ihrer Ergebnisse hin: "Interventionen könnten wirksamer sein, wenn sowohl Eltern als auch Kinder behandelt werden, so dass die Intervention auf die einzigartigen Qualitäten beider Parteien zugeschnitten ist."
Eine Einschränkung der Studie besteht darin, dass sie nur eine Momentaufnahme der Dynamik zwischen Eltern und Kindern liefert, geben die Autoren zu bedenken. Es ist wahrscheinlich, dass der Einfluss der Persönlichkeit eines Kindes auf den Erziehungsstil ihrer Eltern nur ein Aspekt einer sich entwickelnden Dynamik ist, da sich der Erziehungsstil als Reaktion darauf auch verändert und wiederum Auswirkungen auf das Kind hat (wenn auch vermutlich in einem geringeren Ausmaß, als bisher vermutet). Die Erziehung der Eltern kann auch in unterschiedlichen Entwicklungsphasen von Kindern anders wirksam sein.
Quelle: <link https: digest.bps.org.uk how-kids-shape-their-parents-parenting-style _blank external-link-new-window external link in new>BPS Research Digest, <link https: www.kinderaerzte-im-netz.de http: http journals.sagepub.com doi abs _blank external-link-new-window>Social Psychological and Personality Science<link https: www.kinderaerzte-im-netz.de http: http journals.sagepub.com doi abs _blank external-link-new-window>