Aufrechterhaltung von Impfungen und Früherkennungsuntersuchungen in der aktuellen SARS-CoV-2 Pandemie
Stellungnahme der Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin (Stand 22.3.2020)
Die rasche Ausbreitung des neuen Coronavirus SARS-CoV-2 hat zur Einstufung des Ausbruchs als Pandemie geführt. Ziel der aktuell von den Gesundheitsbehörden verordneten Maßnahmen und Empfehlungen sind die Eindämmung oder Verzögerung der Ausbreitung des SARS-CoV-2. Deshalb ist auch geraten worden, nur zum Arzt zu gehen, wenn man deutlich erkrankt ist. Infolgedessen vermeiden Eltern Besuche in Kinder- und Jugendarztpraxen mit ihren Kindern und hinterfragen geplante Termine oder sagen sie ab. Auch auf Seiten der Ärzteschaft haben wir Unsicherheiten im Umgang mit dieser Situation wahrgenommen. Wie lange die Pandemie anhalten wird, vermag niemand vorauszusehen. Wir halten es deshalb für wichtig, rational zu entscheiden, welche geplanten Arztbesuche bei Kindern und Jugendlichen wahrgenommen und welche verschoben werden sollten. Dabei ist zu bedenken, dass alle verschobenen Termine später nachgeholt werden müssen. Dies birgt jedoch auch Risiken wie z.B., dass Nachholtermine vergessen oder versäumt werden, die personellen Kapazitäten aber auch Impfstoffvorräte dafür evtl. nicht ausreichen, oder die betroffenen Kinder und Jugendlichen in der Zwischenzeit eine impfpräventable Krankheit erlitten haben mit ggf. schweren Folgen oder sogar Epidemien mit z.B. Masern oder Keuchhusten ausbrechen.
Die vorliegende Stellungnahme befasst sich mit Impfungen und Früherkennungsuntersuchungen bei Kindern und Jugendlichen in der aktuellen Situation.
Es gilt, mögliche Risiken durch SARS-CoV-2 dem Nutzen von Impfungen und Früherkennungsuntersuchungen gegenüber zustellen. Kinder, so zeigen die bisherigen Erfahrungen aus China und Italien, erkranken in der Regel nicht schwer an Covid-19.
Die Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen der DAKJ hält folgendes Vorgehen für sinnvoll, um einerseits anstehende Impfungen möglichst zeitgerecht zu verabreichen und gleichzeitig das Risiko für eine Infektion mit SARS-CoV-2 durch diese Maßnahme nicht zu erhöhen:
1. Termine für Impfungen und Früherkennungsuntersuchungen sollten weiterhin möglichst zeitgerecht in den Praxen (und ggf. Kliniken) durchgeführt werden, damit die Kinder vor gefährlichen Infektionskrankheiten geschützt werden können.
2. Betreuung der Kinder in der Praxis durch möglichst wenige Mitarbeiter unter Einhaltung der aktuell empfohlenen Hygienemaßnahmen.
3. Geplante Termine in den Praxen sollten streng räumlich und zeitlich von anderen Arztbesuchen (insbesondere wegen Infektionskrankheiten) getrennt werden, z.B. indem man Halbtage oder ganze Tage ausschließlich für Impfungen und Früherkennungsuntersuchungen plant.
4. Das zu impfende Kind und die (einzige) Begleitperson (i.d.R. Mutter oder Vater, möglichst keine Geschwister ohne eigenen Termin) sollten nicht akut erkrankt sein, d.h. kein Fieber und keine Zeichen einer Atemwegsinfektion oder Gastroenteritis aufweisen.
5. Die Termine sollten so vergeben werden, dass möglichst keine oder nur sehr kurze Wartezeiten in der Praxis entstehen; so könnte man die in sinnvollem Abstand vor dem Gebäude wartenden Patienten auch per Handy in die Praxis bitten.
6. Die Aufrechterhaltung der Impfungen im 1. und zu Beginn des 2. Lebensjahres gemäß STIKO-Empfehlungen ist besonders wichtig:
- 6-fach-Impfstoff (DTaP-IPV-Hib-HepB mit 2, 3, 4 und 11-14 Monaten)
- Pneumokokken-Konjugatimpfstoff (PCV mit 2, 4 und 11-14 Monaten)
- Masern-Mumps-Röteln-Windpocken-Impfung (MMR/V mit 11-14 und 15-23 Monaten)
- sowie Rotavirus (ab 6 Wochen) und Meningokokken Gruppe C (ab 12 Monaten), insbesondere als Ko-Administration mit einer der zuvor genannten Impfungen.
7. Auch das Nachholen von versäumten Impfungen und Früherkennungsterminen der o.g. Altersgruppe soll baldmöglichst erfolgen.
8. Indikationsimpfungen bei Kindern und Jugendlichen mit Grundkrankheiten und dadurch erhöhten gesundheitlichen Risiken sollten ebenfalls zeitgerecht erfolgen (z.B. Pneumokokken).
9. Alle weiteren Früherkennungsuntersuchungen und Impftermine, bei denen flexible Zeitfenster empfohlen sind, sollen wenn es die Umstände erlauben, ebenfalls zeitnah geplant werden. Bei personellen Engpässen können diese Termine auch im Rahmen der vorgegebenen Zeitfenster aufgeschoben werden. Bei den Standardimpfungen sind dies:
- DTaP (Alter 5-6 Jahre)
- Tdap-IPV (Alter 9-16 Jahre)
- HPV (Alter 9-14 Jahre)
Die Kommission hofft, dass bei Einhaltung dieser Optionen möglichst wenige Kinder und Jugendliche Schaden durch fehlende Früherkennungsuntersuchungen oder Impfungen erleiden.
Diese Stellungnahme als PDF finden Sie hier.
Kommission für Infektionskrankheiten und Impffragen der Deutschen Akademie für Kinder- und Jugendmedizin:
Dr. med. U. v. Both, Dr. med. H. Grundhewer, Prof. Dr. med. U. Heininger (Sprecher der Kommission), Prof. Dr. med. M. Knuf, Prof. Dr. med. G.C. Korenke, Prof. Dr. med. A. Müller. Unter Mitarbeit von Prof. Dr. med. H.I. Huppertz (Generalsekretär der DAKJ).
Korrespondenzadresse:
Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin e.V.
Prof. Dr. med. Hans-Iko Huppertz, Generalsekretär
Chausseestr. 128/129, 10115 Berlin
Tel.: 030.4000588-0 , Fax: 030.4000588-88
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