Dr. med. Martin Lang & Dr. med. Petra Weinzierl-Moll
Kinder- und Jugendärzte, Homöopathie, Augsburg
Mit Globuli auf Reisen ?
Die Homöopathie ist eine Regulationsmedizin. Bei korrekter Indikation,
setzt sie im Körper Selbstheilungskräfte frei, wie sie durch die
erforschten Allopathika oft nicht erreicht werden.
Krankheitsstörungen am Urlaubsort sind oft kleinerer Art. Sie treffen
zudem auf einen robusten und erholten Organismus. In dieser Situation
sind Globuli besonders wirksam und ersparen dem Reisenden häufig den
Gang in eine Notfallambulanz. Auf der anderen Seite muß aber betont
werden, daß bei schweren Erkrankungen die Anwendung naturheilkundlicher
Mittel, eine notwendige ärztliche Behandlung am Urlaubsort nicht
verzögern darf.
Fernab der Heimatpraxis gilt: wenn die Symptome der Krankheit
unter der Selbstmedikation nicht rasch abklingen, ist stets ein Arzt zu
konsultieren.
Natürlich ersetzt die homöopathische Behandlung auch nicht die
notwendigen Reiseimpfungen. Ebensowenig kann sie allgemeine
Vorsichtsmaßregeln vor bestimmten landesspezifischen Gefahren ersetzen -
etwa bei Reisen in extreme Klimazonen, unzureichenden hygienischen
Verhältnissen, Malaria und anderen Endemiegefahren.
Praxis-Leuchtturm
Welche Arznei für die Reiseapotheke ?
Die Homöopathie ist eine personotrope Medizin. Es muß
also die Arznei gefunden werden, die der Persönlichkeit des Patienten
und dem Gesamtbild der Symptome am ähnlichsten ist. Ein solches
Konstitutionsmittel erfordert allerdings ein ausführliches
Analysegespräch, das in aller Regel auf Reisen nicht durchführbar ist.
Die Auswahl der Arzneimittel für die Reiseapotheke ist daher nicht ganz
einfach.
Bei der Selbstbehandlung akuter Reisekrankheiten werden
Arzneien verwendet, die bei bestimmten Krankheitszuständen regelmäßig
geholfen haben. Man spricht von den sogenannten "bewährten
Indikationen". Charakteristische, wiederkehrende Krankheitssituationen
werden beobachtet und als
Leitsymptome für das jeweils
passende Arzneimittel angegeben. Im Folgenden werden Beispiele für
typische Symptomkonstellationen bei Urlaubserkrankungen beschrieben und
ein dazu passendes homöopathisches Arzneimittel angezeigt.
Reiseübelkeit
Auf der Urlaubsfahrt (Auto, Schiff, Flug) leiden insbesondere Kinder unter Schwindelgefühl und Übelkeit. Ein bewährtes Hausmittel ist der Genuß frischer Petersilie vor Reiseantritt, dazu leichte Kost, wie Gemüse mit Kartoffeln, und Fenchel- oder Melissetee, anstatt Milch.
Cocculus ist das Hauptmittel bei Reiseübelkeit mit Schwindel und mäßigem Schwächegefühl. Kommt dagegen zum Schwindel eine starke Übelkeit, ein Kältegefühl mit kühlem Schweiß und Blässe, so ist Tabaccum angezeigt. Ruhepausen, frische Luft und Augenschließen bessern hierbei die Symptomatik. Bei noch ausgeprägterer "Seekrankheit" empfiehlt sich die Gabe von Theridion. Diese Kinder verspüren –im Gegensatz zu Tabaccum- beim Augenschließen verstärkt Schwindel und Erbrechen und sind zudem geräuschempfindlich.
Flugreisen
Bei Flugangst oder Panikreaktionen, begleitet von körperlicher Unruhe empfiehlt sich die Gabe von Aconitum napellus
eine Stunde vor Abflug. Reagiert das Kind mit nervösen
Magen-Darmbeschwerden (Bauchkrämpfen und Durchfall), ist gereizt und
ängstlich im Anblick der Menschenmenge in der Schalterhalle, so ist
Argentum nitricum das Mittel der Wahl. Auch Phosphorus ist ein wichtiges Flugangstmittel bei feinfühligen, lebhaften, dabei aber eher vorsichtigen, ängstlichen Kindern.
Wenn das Absacken des Flugzeugs in Luftlöchern oder im Landeanflug Unwohlsein und Übelkeit verursacht, hat sich Borax bewährt. Das Kind ist unruhig und zittrig und verträgt keinen Tabakrauch.
Die
kurzfristigen Kabinendruckveränderungen bei Start und Landung können
bei Kindern mit entsprechender Neigung Belüftungsstörungen im
Innenohrbereich mit resultierenden Ohrenschmerzen verursachen. Um den
Innenohrdruckausgleich zu erleichtern, verabreicht man Kleinkindern
während Steig- und Sinkflug ein (Tee-) Getränk und ggf. abschwellende
Nasentropfen.
Sonnenstich - Insolation
Kleinkinder sollten nie ohne Kopfbedeckung in der Mittagssonne spielen.
Aufgrund des verhältnismäßig großen Kopfumfanges und der meist noch
geringen Haardichte, sind Kinder besonders gefährdet für eine übermäßige
Hitzeeinwirkung auf das zentrale Nervensystem. Zuallererst werden die
Patienten an einen schattigen Ort gebracht, mit feuchten Tüchern
behutsam gekühlt und mit reichlich Getränken versorgt. In der ersten
Phase der Sonnenstich-Symptomatik klagen die Kinder über pochende
Kopfschmerzen, sie haben einen roten Kopf, trockene heiße Haut, sind
unruhig und auf Geräusche überempfindlich. In diesem Stadium ist
Belladonna sehr hilfreich. Im Falle von heftigen, berstenden Kopfschmerzen, bei eher blassem Gesicht ist Glonoinum das Mittel der Wahl. Bestehen bereits Übelkeit und Erbrechen und sind die Kinder blass mit kaltschweißiger Haut kann Veratrum album gegeben werden.
Wegen der Gefahr eines beginnenden Hirnödems sollte unverzüglich ärztliche Hilfe zugezogen werden.
Medulla, unser Praxisbär
Hitzeunverträglichkeit
Beim sogenannten Hitzestau (z.B. Autofahrt an heißen Tagen) eignet sich Pulsatilla,
entsprechend der Konstitution: die Kinder sind von weinerlicher Natur
oder wechselhafter Laune, ertragen keine enge Kleidung, keine heißen,
stickigen Räume und spielen grundsätzlich lieber an der frischen Luft.
Im Gegensatz zur Pulsatilla-Konstitution hält sich das
Gelsemium-Kind
ungern im Freien auf. Es reagiert bei Sonnenhitze mit Kopfschmerzen,
fühlt sich dabei wie benommen, besonders die Extremitäten und Augenlider
werden als "schwer", "wie gelähmt" empfunden.
Das Hauptmittel gegen das Schwächegefühl und die Erschöpfungssymptomatik bei sommerlichen Temperaturen ist Natrium muriaticum.
Bereits kleine Anstrengungen in der Sonnenhitze werden gemieden, da sie
zu Erschöpfung führen. Bei körperlicher Überanstrengung mit drohendem
Kollaps an besonders heißen Tagen ist
Antimonium crudum
ein wirksames Mittel, besonders passend, bei häufig übellaunigen
Kindern. Bei milden Formen der Hitzeohn-macht mit Blässe, Parästhesieen
und Kaltschweißigkeit wird
Carbo vegetabilis zur Kreislaufstabilisierung gegeben.
Sonnenbrand
Essigumschläge bringen bei Sonnenbränden und erstgradigen Verbrennungen Linderung. Ist die betroffene Hautpartie glänzend-rot und geschwollen hilft Apis mellifica. Zur Linderung der starken brennenden Schmerzen, eignet sich vorrangig Cantharis, anfangs in häufigen Gaben verabreicht. Zeigen sich auf der verbrannten Haut brennende, juckende Bläschen ist Urtica urens angezeigt. Die Akut- wie auch die weitere Heilungsphase läßt sich mit Causticum gut unterstützen. Äußerlich empfiehlt sich die Anwendung einer Arnikaessenz (z.B. Combudoron Gelee). Bei höhergradigen Verbrennungen (Blasenbildung) ist unverzüglich ärztliche Hilfe aufzusuchen.
Sommergrippe
Eltern unterschätzen häufig, wie leicht sich Kinder mitten im Sommer
verkühlen können, beispielsweise während eines zu ausgedehnten
Badebesuches, der aufkommenden Meeresbrise am Strand oder zu leichter
Bekleidung in den Abendstunden. Ist Verkühlung oder Nässe
(Badebekleidung) die Ursache eines Infektes, so ist
Dulcamara
das Mittel der Wahl. Die Kinder leiden unter einem zähen
gelb-grünlichen Stockschnupfen, auch mit Beteiligung der Ohren,
Bindehautentzündungen und entwickeln eine schleimige Diarrhoe.
Folgt einem windigen Badetag rasant steigendes Fieber mit Schüttelfrost, so wird zu Beginn mit Aconitum
behandelt. Kommt es im weiteren Fieberverlauf zu einer zunehmenden
Kreislaufzentralisation, gekennzeichnet durch eine feucht-schwitzige
Haut, einem roten Kopf, bei gleichzeitig kalten Extremitäten, ist
Belladonna angezeigt. Ferrum phosphoricum
ist ein zuverlässiges Fiebermittel bei infektanfälligen Kindern, mit
Neigung zu Mittelohrentzündungen. Sie sind eher blaß, typischerweise
fühlen sie sich von der Erkrankung nur wenig beeinträchtigt.
Chamomilla
hilft wiederum bei gereizten, zornigen Fieber-Kindern – nicht nur in
der Zeit des Zahnens. Erkältungen nach übermäßigem Schwitzen werden mit
Rhus toxicodendron
therapiert, insbesondere wenn sich im Verlauf Gelenkschmerzen und
Fieberbläschen zeigen. Ein Hauptmittel bei grippalen Infekten im
feucht-warmen Sommerwetter ist
Gelsemium sempervirens.
Charakteristisch ist hier die vorherrschende Schwäche und Zittrigkeit
des Kindes. Der Krankheitsverlauf ist schleppend, mit einem eher
gemächlichen Fieberanstieg. Wird die Grippe von heftigen Glieder- und
Knochenschmerzen oder gar einem galligen Erbrechen begleitet, so ist
Eupatorium perfoliatum das Mittel der Wahl.
Heimweh
Nicht selten sind Kinder von den vielen Veränderungen am Urlaubsort beunruhigt oder verunsichert. Sie vermissen das Vertraute und die gewohnte Umgebung. Zeigen sich bei gefühlsbetonten, launischen, eher introvertierten Kindern Heimwehgefühle, eignet sich hierfür Ignatia. Die Patienten reagieren akut mit Appetitverlust, sie seufzen gehäuft, und lehnen die tröstende Zuwendung durch die Eltern ab. Ebenso trostabweisend ist die Konstitution des Natrium muriaticum–Kindes, das aber seinen Kummer (im Gegensatz zum Ignatia-Typ) eher still für sich erträgt. Es hat einen generell nachtragenden Charakter und empfindet große Menschenansammlungen und Sonnenhitze als unerträglich. Das Heimwehkind, das hingegen offen und ausgiebig zu heulen vermag und durch die elterlichen Streicheleinheiten großen Trost erfährt, bekommt Pulsatilla.
Grundausstattung für die Reiseapotheke
- Aconitum napellus: Schreck, Schock, Erstmittel bei akuten fieberhaften Infekten
- Apis mellfica: Insektenstiche, Sonnen-brand, Urtikaria
- Arnica: Prellung, Hämatom, Verletzung, Commotio
- Arsenicum album: Magen-Darm-Infektion mit Durchfall und Erbrechen
- Belladonna: Akutes Fieber mit Schweiß, Sonnenstich
- Bryonia alba: Zerrungen, Gelenksentzündungen, trockener schmerzhafter Husten
- Calendula: Hauptmittel für offene Wunden aller Art
- Cantharis: Verbrennung, Blasenentzündung
- Carbo vegetabilis: Kreislaufkollaps, Verdauungsstörungen mit Blähungen
- Chamomilla: Reizbarkeit, Zahnungsschmerzen, Ohrenschmerzen
- Cocculus: Reisekrankheit, Schwindel
- Colocynthis: Bauchkrämpfe, Magenkolik
- Eupatorium perfoliatum: Grippe mit Gliederschmerzen, Galleerbrechen
- Ferrum phosphoricum: Fieberhafte Infekte, Ohrenentzündung
- Gelsemium sempervirens: Sommergrippe mit Kopfschmerz und “lähmiger” Benommenheit
- Hamamelis: Venöse Blutung, Quetschung
- Hepar sulfuris: Eitrige Infektion
- Hypericum perforatum: Nervenverletzung, Schmerzbehandlung bei Verletzungen
- Ipecacuanha: Hauptmittel bei Erbrechen
- Ledum palustre: Insektenstiche, schmerzhafte Knochen- und Gelenksverletzungen
- Mercurius solubilis: Übelriechende eitrige Infektionen
- Natrium muriaticum: Hauptmittel bei Hitzeunverträglichkeit, Heimweh
- Nux vomica: Magen-Darminfekt, „Katermittel“
- Okoubaka: Milde Lebensmittelvergiftung
- Phosphorus: Flugangst, Nasenbluten
- Pulsatilla pratensis: Infekt, Ohrenentzündung, Heimweh
- Rhus toxicodendron: Sommerdurchfälle, Lippenbläschen, Muskelkater
- Staphisagria: Schnittwunden
- Tabaccum: Reisekrankheit, Kreislaufkollaps
- Veratrum album: Magen-Darminfekt mit Brechdurchfall und körperlicher Schwäche
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